Zusammenfassung aus dem EMEA-Thread, von ceterum censeo:
Aktienbörse Iran
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Die Konterfeis der Ajatollahs Chomeini und Chamenei schauen starr auf die Erben ihrer islamischen Revolution. Im Handelssaal des 19-stöckigen Tehran-Stock-Exchange-Tower sind ihre Portraits rechts und links neben den acht rot leuchtenden Kursanzeige-Tafeln voller persischer Schriftzeichen angebracht.
TEHERAN. Unter den Mullahs, auf hellem Marmor, das Treiben der etwa drei Dutzend Händler, die mit ihren Drei-Tage-Bärten, Windjacken und den Papierblocks eher wie Zocker von der Rennbahn aussehen. Auch auf der Empore verfolgt ein Trüppchen von Investoren die ratternden Zahlenkolonnen. „Ich bin in diesen Sälen alt geworden“, sagt einer von ihnen, der erst 38-jährige Mohsen, der eher aussieht wie 50, „das hier ist mein Job.“ Er brauche zwei oder drei gute Deals im Jahr. Dafür müsse er jeden Tag da sein.
Ein Börsentag in Teheran. Das Auf und Ab der Kurse ist aufregender als an anderen Handelsplätzen der Welt, ist es doch eng mit der wechselvollen Politik des Landes verbunden. Zu Zeiten des Schahs gegründet, von den Mullahs weitgehend gestoppt, entwickelte sich in der Börse erst in den 90er-Jahren wieder neues Leben, als Hunderte von Staatsbetrieben über die Börse privatisiert wurden. 332 Firmen haben heute ihre Aktien an Teherans Börse gelistet mit einer Marktkapitalisierung von umgerechnet 36 Mrd. Dollar. Das ist sogar für Schwellenländer wenig.
Die Börse Istanbul etwa bringt es auf 153 Mrd. Dollar, Tel Aviv auf 162 Mrd., an der weltgrößten New York Stock Exchange beläuft sich der Marktwert aller dort notierten Unternehmen auf 15 Billionen Dollar. Dafür lockt Teheran mit einem anderen Superlativ: das Kurs-Gewinn-Verhältnis der dort gelisteten Aktien liegt zwischen drei und fünf, der langfristige Durchschnitt an anderen Börsen liegt bei 15. Marcus Gerhardt vom Turquoise Fund in London, dem wohl einzigen westlichen Fonds mit Iran-Engagement, spricht von „erheblichem Potenzial, das aber auch erhebliches Expertenwissen verlangt.“
Mohsen hat dieses Wissen. Mit einer Million Rial – gut 100 Dollar, damals ein kleines Vermögen – habe er begonnen, erzählt der Mann mit Schnauzer und landestypischem Drei-Tage-Bart. In den Jahren nach dem Iran-Irak-Krieg habe er auf die deutsche Erfahrung gesetzt – auf Zement-Aktien. „Weil das Volk ja bauen musste.“ In den vergangenen Jahren dann seien die Papiere der boomenden iranischen Auto-Industrie seine Favoriten gewesen. Jetzt wiederum Werte aus dem Boden: Kupfer-Produzenten und andere Minen-Aktien.
Das alles habe ihm gebracht, was er sich wünsche: „Auto, Haus und Reisen wohin ich will“, verrät Mohsen über seinen Anlageerfolg - aber erst nachdem er uns aus der Menge in eine stille Ecke gezerrt hat. „Damals waren wir vier Mann hier, als ich mit 21 Jahren anfing zu spekulieren. Meine Eltern hatten von vor der Revolution ein paar Aktien von Iran National.“ Dieses Kapital hat er mittlerweile vervielfacht. „Aber ich habe einige zu früh verkauft, sonst wäre ich heute ein Fünf-Millionen-Dollar-Mann“, sagt Mohsen.
Dabei ist Mohsens Rezept sicher nichts für Anleger mit schwachen Nerven: „Du musst die politische Lage immer mit berücksichtigen. Jetzt steckt natürlich die Frage über Irans Atombombe und die Reaktion des Westens in den Kursen. Aber Geld verdient habe ich, als alle anderen wegen des jüngstens Krieges von Israel im Libanon ihre Aktien verkauft haben.“
12.30 Uhr - kein Gong, nur ein letztes Klacken auf den gewaltigen Anzeigetafeln. Es ist Börsenschluss. 48 Mill. Aktien haben heute den Besitzer gewechselt, Handel im Wert 410 Mrd. Rial wurde abgewickelt. „Der Basar war gut“, sagt man hier für einen guten Börsentag. Seit dem Jahreswechsel hat der Teheraner Tepix-Index die 10 000er-Marke wieder nach oben durchstoßen. Langsam erholen sich die Kurse vom tiefen Fall nach der Wahl des fundamental-islamischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad vor eineinhalb Jahren: Noch im Spätsommer 2004 erreichte der Tepix mit 14 000 Zählern einen neuen Rekord. Dann rauschte er in die Tiefe, und Ahmadinedschads Wahl ließ ihn unter die Marke von 10 000 rutschen. Unter seinem Vorgänger, dem Reformer Mohammad Chatami hatte es jährliche Zuwachsraten von 140 Prozent und damit eine echte Überhitzung gegeben.
Auch Metra Bayot, eine „Kargozar“ (das iranische Wort für Brokerin) ist mit dem Tag zufrieden. Sie arbeitet für eine von 83 hier zugelassenen Firmen. Minenaktien, vor allem Kupferwerke, liefen gut. Auch mit Pharmawerten hat sie richtig getippt. Sie eilt aus dem Handelssaal in die im Börsenfoyer gelegene Bank Melli zum Geld einzahlen. Mit ihren gerade mal 36 Jahren sei sie schon „ein Dinosaurier an Teherans Börse“, erzählt die mit Lippen- und Kajal-Stift unter dem schwarzen Schleier reichlich Geschminkte. Seit ihrem 21. Lebensjahr sei Teherans Parkett ihre zweite Heimat, sagt sie.
Je nach Umsatz komme sie auf ein Monatssalär von fünf bis acht Mill. Rial (umgerechnet 520 bis 850 Dollar), verrät sie noch und geht zu ihrem vor der Börse parkenden, in Iran zusammengebauten Peugeot 206. Ein ansehnliches Salär für hiesige Verhältnisse.
Anderswo werden Irans Finanzmärkte nicht ganz ernst genommen. „Es gibt halt keine Kasinos, da ist die Börse wohl ein Ersatz dafür“, sagt etwa Albrecht Frischenschlager. Der 35-jährige Wiener vermittelt Milliarden-Kredite an iranische Konzerne und ist mit seiner Firma Middle East Strategies seit einigen Jahren in Iran. Im Moment sieht er „wunderbare Zeiten für Investments in iranische Aktien“. Trotz der außenpolitischen Probleme habe das Land einen gigantischen Binnenmarkt: In der Petrochemie, der Zementindustrie, in einigen Nahrungsmittelbereichen und vor allem im Bergbau.
Allerdings bestehe ein Großteil des Handels aus Insiderdeals, und die meisten iranischen Firmen betrieben doppelte Buchführung. Solche Nachrichten haben nach Berichten von Ökonomen schon wieder zu einer größeren Kapitalflucht geführt. Auch Fondsmanager Gerhardt spricht von „erheblichen Corporate-Governance-Mängeln“. Rund hundert Unternehmen wurden jüngst ausgelistet, wegen offensichtlich gefälschter oder gar nicht erst vorgelegter Geschäftsberichte. Doch komme auch Vertrauen zurück, sagt Gerhardt.
Ob der Tepix aber je wieder seine historische Höchstmarke erreicht, beantwortet Börsensprecher Reza Hosseini nur mit „Inschallah“ - der islamischen Version von Kaiser Franz’ „schau’n mer mal“.
Historisches Hin und Her
Die Anfänge: 1930 beschloss die Nationalbank Melli den Aufbau einer Börse in Persien. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs begrub alle Börsenpläne erst einmal.
Der zweite Anlauf: 1968 im April - parallel zu den beginnenden Demonstrationen gegen den Schah in Europa - öffnete die Teheraner Börse ihre Pforten. 1974 explodierten die Kurse iranischer Aktien im Zuge des ersten Ölpreisschocks.
Die Revolution: 1979 stoppte die Islamische Revolution unter Ajatollah Chomeini den Handel. Banken wurden verstaatlicht. Nur noch 56 Unternehmen blieben notiert.
Die Renaissance: 1989 belebte sich der Privatsektor. 1991/92 wurden sogar 390 Staatsbetriebe über die Börse privatisiert. 2004 erreicht der Tepix-Index einen Rekord. 2005 sackt er mit der Wahl Mahmud Ahmadinedschads zum Präsidenten aber wieder ab. Derzeit erholt er sich wieder. 80 Prozent der an der Börse gehandelten Aktien gehören Tochterfirmen staatlicher Konzerne. Um dem weiteren Kursverfall Einhalt zu gebieten, werden ausländische Anleger zugelassen. "
Quellenangabe: HANDELSBLATT, Freitag, 12. Januar 2007
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Fund: + 34% in 12 Monaten (Stand 29.11.07)
http://www.turquoisepartners.com/
