SONDERFORSCHUNGSBEREICH 504
Rationalitaetskonzepte, Entscheidungsverhalten und oekonomische Modellierung
No. 02-50
Zur Bedeutung von
Cost-Average-Effekten bei
Einzahlungsplaenen und Portefeuilleumschichtungen
Langer, Thoma and Nauhauser, Niels
In dieser Arbeit analysieren wir das Phänomen des Cost Averaging (CA), dem in der Anlagepraxis eine positive Wirkung auf den Anlageerfolg zugeschrieben wird. Wir präsentieren einige grundlegende Überlegungen zur geeigneten Renditeoperationalisierung bei einem Strategienvergleich und stellen anhand simulierter und empirischer Daten die Rendite- und Risikocharakteristika von CA-Strategien anderen Anlagestrategien gegenüber. In den Simulationen wird zudem der Einfluss der Equity Premium, der Aktienmarktvolatilität und einer Autokorrelation
der Renditen auf den Vorteilhaftigkeitsvergleich analysiert. In den empirischen Untersuchungen werden langfristige Anlagen in den DAX, aber auch sehr kurzfristige Investitionen in den Nemax 50 und den Nasdaq Composite betrachtet. Unsere Analysen zeigen, dass die
CA-Strategie auf Basis von Erwartungswert und Varianz der Vermögensendwerte von einer Vielzahl von Buy&Hold-Strategien dominiert wird und
als suboptimal angesehen werden muss.
Zur Bedeutung von Cost-Average-Effekten bei Einzahlungsplänen und Portefeuilleumschichtungen
1. Problemstellung
In der Anlagepraxis wird häufig auf das Konzept des Cost Averaging (CA) verwiesen, um die besondere Attraktivität von Einzahlungsplänen herauszustellen. Als Cost Average Effekt wird dabei das Phänomen bezeichnet, dass bei einer wiederholten Investition gleich hoher Geldbeträge in eine im Kurs schwankende Anlageform der durchschnittliche Kaufpreis der Anteile unterhalb des durchschnittlichen Kurses der Anlageform liegt. Dieser Zusammenhang beruht darauf, dass gerade in Zeiten niedrigerer Kurse größere Stückzahlen gekauft werden, und stellt ein simples mathematisches Faktum dar. Die ökonomische Bedeutung dieser Einsicht ist allerdings – wie wir im Folgenden noch erläutern werden – begrenzt.
Konzeptionell interessanter und ökonomisch relevanter ist Cost Averaging in einem erweiterten Verständnis. Demnach soll sich ein risikomindernder und renditeerhöhender Effekt allein dadurch ergeben, dass eine Investition in eine riskante Anlageform nicht zu einem einzelnen Zeitpunkt, sondern in Form sukzessiver Teilinvestitionen durchgeführt wird. So erscheint
auf
den ersten Blick die Anlageempfehlung vernünftig, eine größere Erbschaft nicht sofort vollständig in den Aktienmarkt zu investieren, sondern in mehrere Monats-Chargen aufzuteilen, um damit das Risiko zu senken, gerade in einer besonders „teuren“ Marktphase die Gesamtinvestition getätigt zu haben. Aus dem selben Grund wird Anlegern in besonders volatilen Märkten, zum Beispiel dem Neuen Markt, häufig geraten, eine geplante Investition zumindest auf mehrere Tage zu verteilen.
Die wissenschaftliche Literatur liefert zur Frage, ob die sukzessive Umschichtung des Vermögens von der weniger riskanten in die riskante Anlageform (CA-Strategie) einer sofortigen Vollinvestition (Lump-Sum-Strategie, im folgenden LS-Strategie) überlegen ist, allerdings
keine eindeutige Antwort. Es existieren simulationsbasierte und empirische Studien, welche die Überlegenheit der CA-Strategien propagieren, zugleich aber auch solche, welche
die Vorteilhaftigkeit einer LS-Strategie nachweisen. Die Divergenz der Ergebnisse basiert dabei vor
allem auf der Verwendung unterschiedlicher Maße für den Renditevergleich.
Während Studien, die den erwarteten internen Zinsfuss als Vergleichskriterium wählen, regelmäßig eine Überlegenheit von CA-Strategien aufzeigen, ergibt sich in Studien, die das erwartete Endvermögen
betrachten, gerade das umgekehrte Bild. Diese Arbeit soll zur Klärung des oben beschriebenen Sachverhaltes beitragen, vor allem aber weiterführende Ergebnisse zur Vorteil haftigkeit von CA-Strategien liefern.
Die weitere Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut. Im zweiten Abschnitt werden wir die verschiedenen unter dem Begriff des Cost Averaging subsummierten Konzepte abgrenzen und die Wirkungsmechanismen erläutern.
Zudem werden wir verdeutlichen, warum sich bei einem
Vergleich des internen Zinsfusses in trivialer und nicht mit der eigentlichen Fragestellung zusammenhängender Weise eine Vorteilhaftigkeit von CA-Strategien ergibt. Im dritten Abschnitt folgt ein kurzer Überblick über den Stand der Literatur und offene Fragestellungen.
Im vierten Abschnitt stellen wir die Ergebnisse eigener Simulationen vor, mit denen wir analysieren, wie sich Veränderungen der Equity Premium (Renditedifferenz zwischen riskanter und sicherer Anlage), der Volatilität und der Autokorrelation des Aktienmarktes auf die Vorteilhaftigkeit
einer CA-Strategie auswirken würden. Im fünften Abschnitt untersuchen wir, ob sich im Zeitraum von 1964 bis 2001 bei einer Investition in den deutschen Aktienindex DAX die Verwendung einer CA-Strategie als vorteilhaft herausgestellt hätte. Darüber hinaus analysieren
wir die Strategie, Investitionen in volatile Märkte über einige Tage zu streuen, anhand von historischen Nemax und Nasdaq-Daten. Im abschließenden sechsten Kapitel werden die Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst und weitere offene Forschungsfragen aufgezeigt.
2. Cost Averaging – Konzepte und Wirkungsmechanismen
Der Begriff Cost Averaging wird in zwei unterschiedlichen Kontexten verwendet, die konzeptionell klar voneinander abzugrenzen sind. Zum einen wird im Rahmen von Einzahlungsplänen von Cost Averaging gesprochen, zum anderen im Rahmen von Portefeuilleumschichtungen.
2.1. Cost Averaging bei Einzahlungsplänen
Bei Einzahlungsplänen wird unter Cost Averaging (auch Dollar Cost Averaging oder Value Averaging) der Effekt verstanden, dass bei einer sukzessiven Investition gleich hoher Geldbeträge in ein im Kurs schwankendes Wertpapier die Gesamtinvestition im Durchschnitt günstiger als zum durchschnittlichen Kurs des Wertpapiers erfolgt. Dieses Ergebnis basiert auf der Tatsache, dass gerade in Zeiten niedriger Kurse eine überproportional große Stückzahl an Wertpapieren erstanden wird. Ein so definierter CA-Effekt stellt ein unstrittiges Faktum dar und lässt sich formal darauf zurückführen, dass das harmonische Mittel einer schwankenden
Kurssequenz stets unter dem arithmetischen Mittel liegt. Dieses CA-Durchschnittskurs Argument ist in der Anlagepraxis, nicht zuletzt aufgrund seiner gut vermittelbaren Intuition, weit verbreitet und wird von Anlageberatern und in der Wirtschaftspresse häufig als entscheidender
Vorteil eines Einzahlungsplans genannt.
2 Die Interpretation des CA-Effektes und
die Verallgemeinerung
der positiven Wirkung gehen dabei allerdings in vielen Fällen über das ursprüngliche und unstrittige Argument hinaus.
3 Wird das CA-Durchschnittskurs-Argument auf einen konkreten Vergleich von Anlagestrategien übertragen, so ergibt sich folgende Aussage: Hat ein Anleger in einem vorgegebenen Zeitraum einen fixen Gesamtbetrag sukzessive in ein im Kurs schwankendes Wertpapier investiert, so besitzt er eine größere Stückzahl, wenn er regelmäßig identische Beträge investiert
hatte (i.F. als CA-Strategie bezeichnet), als wenn er regelmäßig identische Stückzahlen gekauft hatte. Bei einem Kursverlauf A=(10 GE, 15 GE, 20 GE) und einer Gesamtinvestition von 180 GE würde bspw. ein CA-Strategie-Anleger zu den drei Anlagezeitpunkten t=0, 1, 2
jeweils 60 GE investieren und damit insgesamt 13 (6+4+3) Wertpapiere erwerben. Bei der alternativen Strategie gleicher Stückzahlen würde er insgesamt 12 Wertpapiere (zu jedem Zeitpunkt 4) erwerben und dafür ebenfalls das gesamte Vermögen von 180 GE einsetzen (40
GE + 60 GE + 80 GE). Welche Relevanz besitzt ein solches Ergebnis für die praktische Anwendung? Zunächst ist festzustellen, dass die Gesamtinvestition in beiden Fällen zwar identisch ist, die Kapitalbindung
in den Zeitpunkten aber unterschiedlich ausfällt. Eine fundierte finanzwirtschaftliche Analyse des Effektes müsste daher auch berücksichtigen, zu welchen Konditionen eine Alternativanlage
oder Kreditaufnahme möglich ist.
Viel gravierender ist aber das Problem, dass der Vergleich der Strategien auf einer ex post Betrachtung basiert und insbesondere die Kenntnis des eingetretenen Kursverlaufes voraussetzt.
Welche Stückzahl regelmäßig gekauft werden muss, um am Zielzeitpunkt den gleichen Gesamtbetrag wie bei einer gegebenen CA-Strategie investiert zu haben, kann ex ante nicht entschieden werden. Hätte sich bspw. das Wertpapier nicht gemäß Kursverlauf A, sondern
gemäß der Kursfolge B=(10 GE, 6 GE, 2 GE) entwickelt, so wäre der regelmäßige Kauf von 10 statt 4 Stücken notwendig gewesen, um die 180 GE in den drei Perioden vollständig zu investieren.
...
Im weiteren Verlauf Ihrer insgesamt 38-seitigen Studie führen die Autoren den wissenschaftlichen Beweis, dass der Cost-Average-Effekt in der Praxis stark überschätzt wird und Sparpläne suboptimal sind:
http://www.sfb504.uni-mannheim.de/publications/dp02-50.pdf