Fonds: Anlage mit Durchblick
Von Martin Diekmann
Für Anleger, die sich mehr Einblick in die Arbeit eines Fondsmanagers wünschen, gibt es eine Alternative. Mit gläsernen Fonds können alle Aktionen des Vermögensverwalters nachvollzogen werden.
Anleger, die alles ganz genau wissen wollen, sind bei Fondsgesellschaften in der Regel nicht so gern gesehen. Denn sie sorgen für mehr Arbeit und stehen im Ruf, Kritikpunkte in die Öffentlichkeit zu tragen. Die Gesellschaften halten sich deshalb gern bedeckt. Neben den halbjährlichen Pflichtveröffentlichungen gibt es meistens nur einen monatlich aktualisierten Kommentar des Fondsmanagers inklusive der zehn Top-Haltepositionen. Bis diese Berichte fertiggestellt und im Web erhältlich sind, vergehen Wochen. Von einer nur annähernd zeitnahen Information der Anleger kann also nicht die Rede sein. Unbefriedigend für diejenigen, die wissen wollen, wie der Fondsmanager ihres Vertrauens das Depotvermögen angelegt hat.
Flucht nach vorn
Einige Gesellschaften haben dieses Defizit erkannt und treten die Flucht nach vorn an. Allen voran die Direkt Anlage Bank (DAB) aus München. Sie legte bereits vor einem Jahr in Zusammenarbeit mit der Vermögensberatung Flossbach & von Storch einen so genannten gläsernen Fonds auf: den Investor Global Leaders. Die Besonderheit: Berater Bert Flossbach bietet Anlegern die Möglichkeit, sich mit einer Verzögerung von ein bis zwei Tagen über die Homepage des Fonds (
http://www.investor-global-leaders.com) über aktuelle Transaktionen zu informieren. Im Internet wird das gesamte Portfolio inklusive der jeweiligen Depotgewichtung dargestellt. Zudem findet sich zu jedem Einzelwert eine kurze Unternehmensanalyse. Dadurch können die Investoren die Strategien des Fondsmanagements en détail nachvollziehen.
Auch andere Gesellschaften haben die Nische entdeckt. Von Entrium, ebenso wie die DAB ein Direkt-Broker, gibt es seit einigen Wochen einen gläsernen Fonds, der nur in deutsche Aktien investiert. Manager Markus Brück sucht nach den aussichtsreichsten Dax-, Nemax- und Smax-Werten. "Die einzelnen Indizes sollen etwa zu je einem Drittel vertreten sein, doch bin ich nicht an diese Zusammensetzung gebunden", beschreibt Brück seine Strategie. "Derzeit habe ich ein leichtes Übergewicht in Nemax-Werten."
Auch bei ihm können Anleger die Aktionen des Fonds verfolgen. So wussten sie am 18. September, dass der Manager einen Tag zuvor etwa Bayer zu 29 Euro und BMW zu 27 Euro gekauft hatte. Nachteil bei Entrium: Nur Anleger, die mindestens 100 Anteile des Fonds gekauft haben, können Markus Brück über die Schulter schauen. Bei der DAB ist das anders: Die Daten sind für jeden erhältlich, der sich informieren will.
Eine Vertrauensfrage
Der intime Blick ins Portfolio kann für Anleger mehrere Vorteile haben: Vertraut der Anleger der Erfahrung und dem Wissen des Fondsverwalters, so wird aller Voraussicht in Papiere investierten, die der Manager gerade für den Fonds gekauft hat. Denkbar ist aber auch, dass der Investor einen Einzelwert, den er im Depot hat, verkauft, wenn der Fondsmanager diesen Wert gekauft hat. In diesem Fall will der Investor eine Übergewichtung im persönlichen Portfolio vermeiden - etwa weil er den Wert nur für eine bessere Halteposition hält.
Allerdings werden nicht alle Transaktionen bereits nach einem Tag sichtbar. "Das kommt auf die gerade gehandelte Aktie an", teilt Markus Brück mit. "Handeln wir einen kleinen, sehr marktengen Wert und benötigen wir zum Kauf oder Verkauf mehrere Tage, so warten wir mit der Veröffentlichung bis zum Ende der Transaktion." Der Hintergrund: Würden Anleger von dem Deal bereits vorher erfahren, bestünde die Gefahr, dass sie die Kurse in eine ungewollte Richtung trieben. Die Performance des Fonds könnte in einem solchen Fall leiden. Bei liquiden Dax-Titeln etwa besteht diese Gefahr nicht, die Veröffentlichung erfolgt dementsprechend schneller.
Bei der niederländischen Gesellschaft Delta Lloyd Investment Managers sind sogar vier hier zu Lande zugelassene Fonds "mit Durchblick" erhältlich. Die Palette umfasst einen europaweit anlegenden Aktienfonds, einen gemischten Fonds, einen Renten- sowie einen Geldmarktfonds. Mit Ausnahme des Geldmarktfonds werden Einzelpositionen und Gewichtungen einmal börsentäglich aktualisiert, die Aufstellung vom Vortag ist über das Internet einsehbar.
Nur eine Nische ?
Wo neue Ideen sind, sind Kritiker nicht weit: Viele große Investmentgesellschaften wollen sich nicht genauer in die Depots gucken lassen und tun den neuen Ansatz deshalb als Spinnerei ab. "Ich sehe darin nur ein Nischenprodukt", sagt Bernhard Langer, Chief Investment Officer bei Invesco. "Die meisten Anleger interessieren sich nicht für einen solch detaillierten Blick. Schließlich kaufen sie Fonds, weil sie sich nicht um ihre Investments kümmern wollen." Bei Invesco steht eine Ausweitung der Transparenz derzeit jedenfalls nicht zur Debatte. Matthias Jansen, Pressesprecher beim DIT, der Investment-Tochter der Dresdner Bank, argumentiert ähnlich: "Gläserne Fonds werden als Marketing-Instrument eingesetzt. Der Nutzen für den Privatanleger bleibt unserer Meinung nach beschränkt. Aufschlussreicher als die Angabe sämtlicher Einzelwerte sind da schon regelmäßige Kommentare der Fondsmanager." Überhaupt, fügt er hinzu, sei es auffällig, dass bisherige Anbieter der gläsernen Fonds nur einzelne Produkte auflegen, nicht aber alle ihre Fonds transparent machten. "Ein Beweis dafür, dass Nachfrage und Aufwand in keinem Verhältnis stehen", ist Jansen überzeugt. Allerdings wäre der Aufwand für die Gesellschaften wohl kaum größer, würden die Fondsbewegungen für den Anleger dargestellt werden. Schließlich verändern nur die wenigsten Portfolio-Manager ihr Depot täglich.
Die Vorreiter lassen sich davon jedoch nicht beirren. Matthias Kröner: "Fonds eignen sich ideal zum Einstieg ins Wertpapiergeschäft und zur Altersvorsorge. Durch einen gläsernen Fonds kann der Anleger nachvollziehen, wie diese Form der Geldanlage funktioniert und was mit seinem Geld passiert. Das schafft Vertrauen und erhöht die Akzeptanz beim Anleger."
Ob Nischenangebot oder nicht: Für Anleger ist die Wahl zwischen normalen und gläsernen Fonds insofern von Nutzen, als sie die Angebotspalette vergrößert. Dass viele Investmentgesellschaften keine Nachfrage nach den neuen Produkten registrieren, liegt auch daran, dass erst wenige Anleger überhaupt von ihrer Existenz wissen. Sollte das Interesse aber steigen, dürften auch die Gegner der gläsernen Anlagen ihre Meinung überdenken.
© 2001 Financial Times Deutschland