Megabranche Antikörpertechnology

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Moderator: oegeat

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derSpekulant

Megabranche Antikörpertechnology

Beitrag von derSpekulant »

Hi Leute,

zwar gabs den Bericht schon im alten Board, allerdings will ich nicht, daß dieser Beitrag verlorengeht, da er hochinteressant ist und einige Informationen über den Bereich Antikörper gibt.

Gruß, Speku Bild

18.12.2000: Biotechnologie (Teil 1/3): Megabranche Antikörpertechnologie
Eine Branche mit erwarteten 32 % Umsatzwachstum jährlich von 1999 bis 2006. Ist das nicht sexy? Nicht nur für Anleger können hohe Renditen möglich sein, sondern auch die Produkte, die moderne Medizin und Therapiemöglichkeiten bereichern, machen Sinn.


Erinnern Sie sich noch, wie sich die Börsenlandschaft vor 14 Monaten darstellte? Im frühen Herbst des Jahres 1999? Es waren jene Monate, in denen sich ein Generationenwechsel an den Weltbörsen vollzog. Ein Boom wurde von einem Wissenschaftler aus der Taufe gehoben, der mit seinem kleinen Firmenimperium an der Zusammensetzung eines Zeichensatzes arbeitete, der auf 3,2 Mrd. Stellen aus vier verschiedenen Buchstaben zusammengesetzt werden sollte. Als die Börse begriff, dass Craig Venter in spätestens einem Jahr den Menschen auf eine Kombination von Adenin, Tymin, Guanin und Cytosin (4 Kernbasen aus denen die DNA besteht) reduziert haben würde, flossen Milliardensummen vom Internetsektor in den Biotechsektor.

Doch aktuell scheint auch das mühelose Geldverdienen mit Biotechs vorbei zu sein. Eine neue Phase in diesem Börsenzyklus hat begonnen – die Selektion. Eine genaue Auswahl heißt zunächst nicht, dass man wie beim Stockpicking nur noch auf einzelne Aktien setzt, sondern, dass man Subbranchen favorisiert. Im Bereich Internet wollen wir dies mit dem Boom von B2B-Aktien gleichsetzen, die bis in den Januar 2000 hinein nur aufgrund von Branchenzugehörigkeit explodierten, bis dann Luftschlösser wie Ventro (damals noch Chemdex) oder Open Market kollabierten.

Die Biotechnologiebranche lässt sich zum Beispiel nach Therapieansätzen aufschlüsseln. Das heißt, Sie unterscheiden die Unternehmen, die auf Gentherapien setzen, von denen, die klassisches Wirkstoffdesign betreiben, usw. Eine komplette Aufschlüsselung der Biotechnologie führt an dieser Stelle allerdings zu weit. Wir wollen Ihnen an dieser Stelle mit der Antikörpertechnologie eine der, wenn nicht die aussichtsreichste Subbranche im Biotech, vorstellen.


Antikörper haben geringe Nebenwirkungen

Die Antikörpertechnologie setzt auf einen Basismechanismus des menschlichen Immunsystems: Körperfremde Eindringlinge (sogenannte Antigene) können durch die Verschmelzung mit einem Abwehrkörper (Antikörper) zu einem unschädlichen Komplex verwandelt werden. Das Problem ist dabei, dass nur ein bestimmter Antikörper zu einem bestimmten Antigen passt, da die Oberflächenstrukturen der beiden Körper nach einem Schlüssel-Schloss-System zueinander passen müssen. So kommt es, dass das Immunsystem nur dann Fremdkörper mit diesem Mechanismus abwehren kann, wenn er den Bauplan der zugehörigen Antikörper kennt.

Sie sehen, dass es grundsätzlich ein vollkommen natürlicher Eingriff wäre, Krankheiten mit Antikörpern zu begegnen. Die Nebenwirkungen wären und sind auch bei Antikörperpräparaten sensationell gering, da nur das Antigen attackiert wird, während alle Strukturen, die kein Antigen tragen, verschont bleiben. Allerdings gibt es keine Möglichkeit, einem Immunsystem die Produktion von Antikörpern beizubringen, wenn man nicht das Genom des Patienten entsprechend verändert. Dieser Eingriff wäre weder vertretbar noch durchführbar. Antikörper müssen also in den Körper gebracht werden und vor allem vorher außerhalb des Körpers hergestellt werden, was die viel komplexere Aufgabe ist.

Bild

Modellhafte Darstellung des Antikörpers ZENAPAX aus dem Hause Protein Design Labs (PDL). Antikörper bestehen aus vielen einzelnen Aminosäuren, die hier als winzige Bläschen gezeichnet sind.


Die Geschichte der therapeutischen Antikörper

Bereits 1986 wurde mit OKT3 erstmalig ein Antikörper als therapeutisches Mittel zugelassen. Das Präparat konnte ausgerechnet Abstoßungsreaktionen nach Transplantationen unterbinden. Doch bis 1994 folgte kein einziger weiterer Antikörper, der eine Zulassung erhielt, da man das Problem, dass Antikörper vom menschlichen Immunsystem abgestoßen wurden, nicht in den Griff bekam.
1994 erhielt dann das kreislaufunterstützende Medikament ReoPro seine Zulassung und gab so den Startschuss für ein neues Zeitalter der Biotechnologie. Denn 1995 folgte das nächste Präparat und 1997 kamen dann mit Rituxan und Zenapax die ersten beiden Blockbuster auf den Markt, die kommerziell große Erfolge erzielten. Spätestens 1998 gelang therapeutischen Antikörpern dann mit der Zulassung des Brustkrebsmedikamentes Herceptin, das für viel Aufsehen sorgte, und dreier weiterer Präparate der endgültige Durchbruch.


Gefährliche Abstoßreaktion

Die Lösung für das Problem der Herstellung der Antikörper lag zunächst sehr nah: Man wusste, dass man nur das Genom eines Lebewesens verändern musste, um es Antikörper produzieren zu lassen. Man würde die DNA von Mäusen manipulieren und in ihr den Befehl (in Form eines sogenannten Genvektors) einsetzen, Antikörper herzustellen. Das gelang dann auch ohne jedes Problem, denn man bediente sich grundlegendster Erkenntnisse der Gentechnik. Doch als man die aus dem Blut der Mäuse gewonnenen Antikörper zum Einsatz bringen wollte, stellte sich den Forschern ein neues Problem: Die Antikörper, die in das menschliche Immunsystem gebracht wurden, wurden als Fremdkörper erkannt und es kam zu einer Abstoßungsreaktion, wie man sie von Transplantationen her kennt. Zwei Konzerne, die wir Ihnen in einem zweiten Bericht zu diesem Thema ausführlich vorstellen werden, machten sich auf den Weg, dieses Problem zu lösen und verwirklichten dann auch Ihre Ansätze. Es gelang Ihnen auf unterschiedlichen Wegen, die von den Mäusen hergestellten Antikörper zu „vermenschlichen“. Das heißt, dass die gewonnen Antikörper, die zu 100 % aus Eiweiß bestehen, vollständig aus humanen Proteinen (Proteine sind chemisch gesehen Aminosäurekomplexe) zusammengesetzt waren, so dass sie vom menschlichen Immunsystem akzeptiert wurden und nun ihre heilende Wirkung im Kampf gegen Krankheiten entfalten konnten.

Antikörper bringen zum einen also den Vorteil, dass sie eine sehr schonende, da „natürliche“ Art der Krankheitsbekämpfung sind, zum anderen vereinen sie aber wirtschaftliche Vorteile in sich, wie sonst keine andere Therapieform in der Biotechnologie.


Immense Kosten- und Zeitersparnis

Um einen klassischen Wirkstoff in die erste Phase der klinischen Testreihe zu bringen, braucht ein Unternehmen aus dem Pharmasektor aktuell durchschnittlich 5 Jahre. Zunächst wird ein sogenanntes Target (eine Schwachstelle) gesucht, an der man eine Krankheit bekämpfen kann. Diese Phase dauert bei normalen Wirkstoffen ebenso lange, wie in der Antikörperforschung. Zum Attackieren dieser Schwachstelle muss in der klassischen Wirkstoffforschung dann eine durchschnittlich 3jährige Phase durchgeführt werden, in der die chemische Formel des Wirkstoffes optimiert wird. Diese Phase entfällt meist bei Antikörpern. In Antikörperbibliotheken, wie sie auch die Münchner Morphosys anbietet, wird einfach nach dem zum Target (die Schwachstelle der Krankheit muss ein Antigen sein, damit man mit Hilfe von Antikörpern arbeiten kann) passenden Antikörper gesucht. Bevor man nun ein Präparat in klinische Versuchsreihen übergehen lässt, wird in einer letzten Phase an der Sicherheit des Präparates gearbeitet. Auch dieser Prozess ist bei Antikörpern in der Regel um gut 6 Monate kürzer, als dies bei konventionellen Wirkstoffen der Fall ist. Der Vorsprung, den der Antikörper in die klinische Phase I seiner Testreihe mitnimmt, summiert sich somit auf durchschnittlich 3 bis 4 Jahre. Die finanzielle Ersparnis für den entwickelnden Konzern kann durchaus bei über 100 Mio. USD pro Präparat liegen.

Viele Experten sind sich bereits heute darin einig, dass vor allem in Antikörpern einer der Schlüssel im Kampf gegen den Krebs zu sehen ist. Konzerne wie Medimmune, Bristol Meyers Squibb, Roche, Schering, Millennium, Merck, Genentech, Idec Pharmaceuticals, Human Genome Sciences und Protein Design Labs – kurzum das „Who is Who“ der Pharma- und Biotechbranche – setzen aktuell in klinischen Tests (das bedeutet, die Medikamente werden bereits am Menschen erprobt) auf das Mittel „Antikörper“. Aktuelles Beispiel: Für das Leukämie-Antikörperpräparat CAMPATH, das unter anderem von Schering entwickelt wurde, wird noch in den nächsten Wochen eine Zulassung durch die zuständige US-amerikanische Behörde „Food and Drug Administration“ (FDA) erwartet.


Der Markt wächst rasant

Die aufgezählten Vorteile manifestieren sich aber auch in Zahlen. Der weltweite Markt für Antikörperpräparate soll sich von 1998 bis 2002 mehr als versechsfachen! Der Weltmarkt für biotechnologische Medikamente kommt hingegen auf gerade einmal 37 % Zuwachs in diesen 4 Jahren. 2006 soll das Weltmarktvolumen, das 1999 erstmals über 1 Mrd. US-$ lag, auf über 7 Mrd. US-$ gestiegen sein. Für das Jahr 2010 berichteten Analysten von dem US-Magazin „Business Week“ in der Ausgabe vom 6. März 2000 gar von einer Schätzung, die ein Marktvolumen von über 50 Mrd. USD erwartete. Doch vor einer Höherbewertung stehen nur wenige Firmen aus der Antikörperbranche. Die, die Präparate entwickeln, werden nur dann ihre Marktkapitalisierung weiter steigern können, wenn sie diese Präparate erfolgreich durch die Zulassung bringen und dann auch gut vermarkten. Firmen, denen dieses nicht gelingt, werden hingegen schon bald von den Kurszetteln verschwinden. Hier ist der Aktionär also enormen Risken ausgesetzt und sollte deshalb ein Engagement in Einzelaktien prinzipiell unterlassen. Dennoch seien Ihnen an dieser Stelle zwecks Vollständigkeit die Entwickler Imclone Systems, Ilex Oncology und OSI Pharmaceuticals als durchaus aussichtsreiche Repräsentanten für Antikörperspezialisten im Bereich Onkologie (Krebs-Forschung) genannt. Im Bereich der Autoimmunerkrankungen tut sich vor allem Alexion Pharmaceuticals als ein vielversprechendes Unternehmen hervor, da man hier auch ein kleines Fundament im Bereich der Antikörperbibliotheken besitzt, das allerdings erst dieses Jahr hinzugekauft wurde. Weiters haben die Unternehmen IDEC Pharmaceuticals und Protein Design Labs (PDL) auf diesem Gebiet ungeheuer breite Pipelines (Pipeline = Portfolio aller Medikamente, die ein Unternehmen entwickelt). Die genannten Unternehmen haben weiters ihre Forschung für die nächsten Jahre mit beträchtlichen Bargeldreserven abgesichert. Wer aber vernünftig und mit überschaubaren Risiken auf Antikörpertechnologien in seinem Depot setzen möchte, der könnte sich die amerikanischen Unternehmen Abgenix und Medarex näher ansehen. Lesen Sie über diese beiden Firmen mehr in unserem Parallelartikel. Weitere Krankheiten, denen man vor allem mit Antikörpern begegnen wird und für die Antikörper auch schon in finalen klinischen Testphasen erprobt werden, sind vor allem: Komplikationen nach Transplantationen, Multiple Sklerose, Psoriase, Rheumatische Erkrankungen und Herzkreislaufprobleme.


Antikörperforschung beim japanischen Konzern IDEC Pharmaceuticals.


Fazit

Die Biotechnologie gehört zweifelsohne zu den dynamischsten Branchen am Beginn dieses neuen Jahrtausends. Doch will ich Ihnen an dieser Stelle kurz zu bedenken geben, dass es eine Vielzahl von Branchen gibt, die sich bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von nicht einmal 10 % bis 2002 in keinem Technologiedepot dieser Welt befinden würden. So werden PC-Aktien aktuell wegen eines Absinkens Ihrer Wachstumsraten auf 20% pro Jahr massenhaft auf den Markt geworfen. Der Biotechsektor scheint somit weit überzogen bewertet. Der Anleger, der langfristig sinnvoll anlegen möchte, wird also gut daran tun, in den Subbranchen der Biotechnologie vertreten zu sein, die tatsächlich so enorme Wachstumsraten aufweisen werden, wie dies heute die Aktienkurse glaubhaft machen. Neben der Branche der Gentherapie könnte dies unter anderen die der Antikörper sein.
Gast

Beitrag von Gast »

Auf Chemie, Pharma und Biotechs setzen

Auch die Chemie- und Pharmawerte haben sich den Börsianern zufolge als sichere Anlagemöglichkeiten entpuppt und gerade in den vergangenen Wochen kräftig zugelegt. Die Werte seien auch von positiven Unternehmensnachrichten unterstützt worden. BASF hatte beispielsweise die Trennung von seinem Pharmageschäft gemeldet. "Ein richtiger Schritt, denn diese Sparte war nicht sonderlich gewinnträchtig", sagte Kaim. Bayer wiederum interessiert sich für den Biotech-Bereich. "Die großen Chemieriesen orientieren sich immer mehr in Richtung Gesundheitswesen. Dies wird auch der Markt der Zukunft sein", sagte Kaim.

Wer den Mut zum Risiko nicht verloren hat, könnte auch direkt auf die Biotechs setzen. Denn dem hohen Anlagerisiko in diesem Sektor stehen nach Meinung von Branchenkennern auch in den kommenden Jahren enorme Chancen gegenüber. "Die Biotechnologie besitzt erhebliches Wachstumspotenzial", glauben die Analysten der Deutschen Bank. Bis zum Jahr 2010 könnte nach Meinung der Branchenexperten der weltweite Absatz biotechnologischer Produkte von rund 30 Milliarden Euro (1999) auf knapp 200 Milliarden Euro ansteigen. Dies wäre eine jährliche Steigerung um knapp ein Fünftel.

Das Risiko der Biotechs

Schon in diesem Jahr lag man mit Biotechs richtig. Die Branche war die erfolgreichste am Neuen Markt. Der Biotechnologie-Index hat den Neuen Markt, der mehr als 60 Prozent von seinen Höchstständen im März einbüßte, klar outperformed. Allerdings sind einzelne Titel immer noch zu hoch bewertet.

Die Gefahr, dass sich nach hohen Investitionen in die Forschung und teuren klinischen Studien und Tests am Patienten, Rückschläge einstellen, die den Aktienkurs sofort abstürzen lassen können, ist sehr hoch. Die Entwicklung eines neuen Medikaments dauert im Schnitt mindestens zehn Jahre und kostet rund 500 Millionen Mark. Um das Risiko eines Fehlinvestments zu minimieren, raten manche Experten Anlegern eher auf Unternehmen zu setzten, die "Hacke und -Schaufel" für den wachsenden Markt Biotechnologie anbieten. Einer dieser Dienstleister ist Qiagen. Das nach Marktkapitalisierung größte Biotech-Unternehmen am Neuen Markt, ist für Fondsmanager und Analysten ein Muss für jeden Anleger, der in Biotechnologie investieren will.
AUSBLICK 2001-Biotech: Unerforschte Krankheiten bieten Wachstumspotenzial

FRANKFURT (dpa-AFX) - Kaum eine andere Branche hat die Fantasie der Anleger so sehr angeregt und bewegt wie die Biotechnologie. Dem hohen Anlagerisiko in diesem Sektor stehen nach Meinung von Branchenkennern auch in den kommenden Jahren enorme Chancen gegenüber. "Die Biotechnologie besitzt erhebliches Wachstumspotenzial", glauben die Analysten der Deutschen Bank. Bis zum Jahr 2010 könnte nach Meinung der Branchenexperten der weltweite Absatz biotechnologischer Produkte von rund 30 Mrd. Euro (1999) auf knapp 200 Mrd. Euro ansteigen. Dies wäre eine jährliche Steigerung um knapp ein Fünftel. Im Jahr 2000 hat der Biotechnologie-Index den Neuen Markt , der mehr als 60 Prozent von seinen Höchstständen im März entfernt ist, klar outperformed. Damit gehört die Biotech-Branche in Bezug auf die Kursentwicklung zu den erfolgreichsten Branche am Neuen Markt. Branchenkenner weisen jedoch auf die immer noch hohe Bewertung einzelner Biotech-Titel hin. Der Wandel in der Pharmaindustrie ist nach Einschätzung der Deutschen Bank so grundlegend, dass die Biotechnologie fast zwangsläufig davon profitieren dürfte. In Deutschland sind 80 bis 90 Prozent aller Biotech-Unternehmen im Bereich Pharma und Medizintechnik tätig: Von den 30.000 bekannten Erkrankungen können heute erst 10.000 adäquat behandelt werden. Mit der Biotechnologie und den Anwendungsgebieten Erbgutforschung, Gentherapie, Bioinformatik, Reparatur beschädigten Gewebes und molekulargenetischer Diagnostik kann dieses Potenzial erschlossen werden, glauben Branchenkenner. Hohe Wachstumsraten erwarten die Deutsche Bank-Experten deshalb beim Umsatz der deutschen Biotech-Industrie. Nachdem im vergangenen Jahr 520 Mio. Euro erreicht wurden, könnte der Umsatz bis zum Jahr 2010 auf rund drei Mrd. Euro steigen. Die deutsche Biotech-Branche nimmt in der Welt, hinter den USA und Großbritannien zwar noch den dritten Rang ein, zeige aber deutliches Aufholpotenzial. Obwohl die Patentanmeldungen für biotechnologische Arzneimittel 1999 um 30 Prozent auf 176 zunahmen, ist auch hier Deutschland auf Platz zwei hinter den USA mit 660 Anmeldungen. Gemessen an Umsatz, Marktkapitalisierung und Mitarbeiter pro Unternehmen befindet sich Deutschland aber weiterhin deutlich hinter der Insel und dem weltweit größten Biotech-Markt, den Vereinigten Staaten. Dort erreicht die Marktkapitalisierung der etwa 350 börsennotierten Firmen rund 350 Mrd. Euro. Im Vergleich dazu nimmt die Gesamtkapitalisierung des europäischen Biotech-Sektors mit knapp 40 Mrd. Euro sich eher bescheiden aus. Allerdings erzielen selbst in den USA von 317 börsennotierten Firmen gerade einmal zehn Gewinne. In Deutschland sind nach Angaben der Deutschen Bank mit Qiagen und CyBio zwei Biotechnologie -Unternehmen, die am Neuen Markt gelistet sind, im engeren Sinne in der Gewinnzone. Dabei ist einer der auffälligsten Unterschiede zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland in der Biotech-Branche, dass es hierzulande vor allem Dienstleister für die Arzneimittelhersteller gibt. Darunter fallen beispielsweise Technikplattform-Lieferanten wie MorphoSys und Evotec oder Bioinformatik-Spezialisten wie Lion bioscience . In den USA konnten sich dagegen einige Biotech-Firmen wie Amgen oder Biogen bereits neben den großen Pharma-Unternehmen etablieren. Als reinrassiger Medikamentenhersteller firmiert in Deutschland MediGene , das seit diesem Jahr am Frankfurter Neuen Markt gelistet ist. Hersteller von innovativen Medikamenten bieten zwar größere Chancen, aber auch größere Risiken. Der Börsengang von MediGene war einer der erfolgreichsten aus dem Biotech-Segment in diesem Jahr. Die Gefahr allerdings, dass sich nach hohen Investitionen in die Forschung und teueren klinischen Studien und Tests am Patienten, Rückschläge einstellen, die den Aktienkurs sofort abstürzen lassen können, sei hier viel höher, sind sich Branchenkenner einig. Die Entwicklung eines neuen Medikaments dauert im Schnitt mindestens zehn Jahre und kostet rund 500 Mio.DM. Um das Risiko eines Fehlinvestments zu minimieren, raten manche Experten Anlegern in Anspielung auf den Goldrausch in den USA zu Mitte des 19. Jahrhunderts, eher auf Unternehmen zu setzten, die "Hacke und -Schaufel" für den wachsenden Markt Biotechnologie anbieten. Einer dieser Dienstleister ist Qiagen. Das nach Marktkapitalisierung größte Biotech-Unternehmen am Neuen Markt, ist für Fondsmanager und Analysten ein Muss für jeden Anleger, der in Biotechnologie investieren will. Die Investmentbank Credit Suisse First Boston stufte die Aktie zuletzt mit einem Kursziel von 52 Euro zum Kauf ein und glaubt, dass der herausragende Global-Player bei der Isolierung und Reinigung von Nukleinsäuren auch in den kommenden Jahren mit einem Marktanteil von 20 Prozent die Nase vorne haben wird. Mit den von Qiagen gelieferten Filtern zur Nukleinsäure-Reinigung kann man binnen zwei Stunden ein Molekül isolieren und am Tag mehrere tausend Experimente durchführen. Durch Firmenzukäufe und Allianzen werde Qiagen zu einem Schlüssel-Unternehmen in der Genomforschung, glauben die Experten. Ein lukratives und innovatives Segment in der Diagnostik sind Bio-Chips, die menschliches Erbgut auf Erbkrankheiten hin analysieren können. Bisher ausschließlich eine Domäne für US-Unternehmen, entdecken nun auch deutsche Firmen und Forschungszentren dieses Potenzial. Deutschlands bekanntester Genforscher und Geschäftsführer der Schering-Tochter Metagen, André Rosenthal, hat einen medizinischen Tumorchip entwickelt, der "schon bald viele Krebsdiagnosen erleichtern und die Behandlung verbessern wird". Auf den Börsengang der Bioinformatik-Tochter müssen die Anleger allerdings noch bis zum Jahr 2002 warten./ep/av

Dividendenrendite statt Kursphantasie

Weniger Risiko bergen also die großen Chemie-und Pharmakonzerne. Noch dazu haben sie eine relativ hohe Dividendenrendite: "Der Anleger schaut inzwischen mehr darauf, was ein Unternehmen ausschüttet und achtet weniger auf die Kursfantasie", so Franz Kaim von Lang & Schwarz. Auch seien die Pharma-Aktien inzwischen relativ niedrig bewertet. "Nach den jüngsten Kurseinbrüchen gilt dies aber auch für Aktien wie DaimlerChrysler, Linde oder MAN", fasste der Düsseldorfer Analyst zusammen.



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Gast

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O. Hordenbach: Sinn und Unsinn der Biotechnologie (18.12.2000)

Die moderne Biotechnologie schickt sich an, die Gesetze des Lebens neu zu schreiben. Fast täglich melden die Forscher aus ihren Labors Erfolgsstorys im Kampf gegen Krankheiten, an denen heute immer noch Millionen von Menschen sterben müssen. Krebs und zahlreiche Herz-Kreislauferkrankungen stehen dabei ebenso im Visier der Forscher wie Multiple Sklerose und Mukoviszidose. Dabei stellt sich immer dringlicher die Frage, was die Biotechnologie eigentlich machen darf, wo die Grenzen von Wissenschaft und Forschung verlaufen müssen?

Kaum einer wird wohl den Einsatz biotechnologischen Know-Hows beim Kampf gegen Krebs und Herzinfarkt verurteilen wollen; doch darf man auch Embryonen in der sogenannten Präimplantationsdiagnostik auf genetische Defekte untersuchen? Paare, die bei ihrem Nachwuchs geistige und körperliche Behinderungen befürchten, können sich zur Befruchtung im Reagenzglas entschließen. Dort wird das Ei, das sich innerhalb weniger Tage mehrmals teilt, auf genetische Mängel untersucht. Liegen solche vor, wird der «Zellhaufen» vernichtet. Ganz im Sinne von «Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpchen», wird nur das gesunde Ei in die Gebärmutter verpflanzt. Was allerdings als gesund und was als krank zu bezeichnen ist, bleibt freilich der Interpretation des Mediziners überlassen. Krank ist, was nicht dem Durchschnitt entspricht, also wird es vernichtet. Nicht wenige fühlen sich hier an den Biofaschismus der Nazis erinnert.

Doch ganz so einfach sollten wir es uns nicht machen. In Deutschland lässt sich allerdings nur schwerlich über ein solch heikles Thema diskutieren. Bestes Beispiel hierfür ist der Philosoph und Kulturkritiker Peter Singer aus Australien, der, zugegeben, viele Dinge mit grausamer, aber heilsamer Nüchternheit betrachtet. Wer ihn live erleben möchte, muss allerdings nach Australien oder in die USA fahren, denn bei uns werden seine Vorträge mit deutscher Gründlichkeit in den Boden demonstriert. Singer mahnt zum Pragmatismus, einer Einstellung, die jenseits jeder Ideologie die Vor- und Nachteile des menschlichen Tuns bewertet. Warum, so fragt Singer, soll es moralisch verwerflich sein, seine Nachkommenschaft auf genetische Defekte prüfen zu lassen, während wir jährlich Milliarden von US-Dollar ausgeben müssen, um gerade die Krankheiten zu bekämpfen, die aufgrund eines Gendefekts entstanden sind. Geld, das an anderen Stellen viel sinnvoller eingesetzt werden könnte, zum Beispiel beim Bau von Schulen?

Doch die Möglichkeiten der Biotechnologie gehen heute leider noch viel weiter, mit denen auch Singer so seine lieben Schwierigkeiten hätte. In den USA ist es mittlerweile möglich, sein Kind über ein Katalog zu bestellen. Und dort wird so ziemlich alles angeboten, was Eltern sich wünschen: intelligent, sportlich, besonnen, hoch gewachsen, blond und blauäugig. Tausende von Samen- und Eispenden von ausgesuchten Männern und Frauen liegen in den Tiefkühlregalen und warten darauf, zum Leben erweckt zu werden. Mit Pragmatismus kommt man hier nicht weiter.

Doch was soll nun letztendlich erlaubt sein? Diese Frage werden wir wahrscheinlich nie beantworten können, weil allein der technologische Fortschritt mit rasanter Geschwindigkeit über unsere Köpfe hinwegzieht und keine Zeit für Diskussionen zulässt. Wichtig scheint mir nur zu sein, dass der Mensch Mittelpunkt des Geschehens bleibt - als Patient, als Kranker, als Sterblicher, und nicht zum Objekt einer blinden Forschung degradiert.

Die Frage nach dem Möglichen macht nur Sinn, wenn zuvor Zweck und Ziel des Machbaren geklärt wurden. Damit sollten wir uns allerdings beeilen. Aber warum, so fragen Sie sich jetzt sicherlich, sollte man sich als Anleger mit so was «unmodernem» wie der Moral beschäftigen? Nun ganz einfach, weil Sie als Anleger eben auch Verantwortung für die zukünftige Entwicklung tragen. Der Megatrend der Biotechnologie steht noch ganz am Anfang und erst allmählich merken die Banken, dass sie mit dem Namen «Biotechnologie» viel Geld verdienen können. In den letzten paar Jahren war es vor allem das Schlagwort «Internet», das man am einfachsten mit dem Anhängsel «dotcom» in bare Münze versilbern konnte. Diese Ära scheint sich nun, Gott sei Dank, ihrem Ende zu nähern; die Börsenwelt achtet wieder auf Gewinn und Ertrag. Doch damit steigt die Gefahr, dass eben «Biotechnologie» zum Modewort verkommt.

Auch in Deutschland notieren mittlerweile sogenannte Biotech-Unternehmen am Markt, die dessen Titel eigentlich nicht würdig sind. Da werden Produkte offeriert, die mit Biotechnologie soviel zu tun haben wie Blut mit Tapetenkleister. Bevor Sie also in eine Biotechnologie-Gesellschaft investieren, schauen Sie sich diese zuvor ganz genau an. Fragen Sie sich, was das Unternehmen eigentlich herstellt, wozu dieses Produkt eigentlich gut ist und wem es hilft. Sollten Sie zu der Antwort kommen, das es keinem hilft, bestenfalls den durchgeknallten Wünschen geisteskranker Eltern, die gerne einen kleinen, blonden und blauäugigen Einstein produzieren möchten, dann sagen Sie laut und deutlich «Nein». Diese Sprache verstehen dann auch die Banken.


18.12.2000 14:04


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