nur eine Schocktherapie kann helfen
Talfahrt in Tokio
Von André Kunz
In Tokio stehen die Zeichen wieder auf Sturm. Die Zweifel an einer Erholung der zweitgrößten Wirtschaftsmacht der
Welt nehmen mit jedem Tag zu. Das Wort Rezession ist schon wieder in aller Munde. Über kein Sturm, sondern ein
Taifun ist notwendig, um die japanischen Wirtschaftsplaner und Politiker aus ihrer Lethargie zu reißen und sie zu
drastischen Reformen zu zwingen. Nur eine neue und schmerzhaftere Krise führt zur lang ersehnten Wirtschaftserholung.
Die konjunkturelle Großwetterlage in Japan deutet an sämtlichen Fronten auf ein neues Tief hin. Am klarsten spiegelt
dies die Börse. Der Nikkei-Index fiel am Donnerstag auf ein 15-Jahrestief und schloss bei 12 681,6 Zählern. Damit
steht der Index dort, wo er vor dem verhängnisvollen Beginn der Seifenblasenwirtschaft im November 1985 begonnen
hat. Die künstliche Aufblähung der Immobilien- und Aktienpreise in den folgenden fünf Jahren belastet die japanische
Wirtschaft bis heute.
In den zehn Jahren seit dem Platzen der Seifenblase hat der japanische Bankensektor in einer herkulischen
Anstrengung 70 Billionen Yen (1300 Milliarden DM) an Problemkrediten abgeschrieben. Trotzdem lasten gemäß einer
Schätzung der Ratingagentur Standard & Poor`s heute immer noch rund 1200 Milliarden DM an unbedienten oder
problematischen Krediten auf den Bankbilanzen.
Die jüngste Talfahrt der Börse verschlimmert die Lage drastisch, weil sechs der neun großen Banken mit ihren
umfangreichen Aktienbeständen bei einem Topixstand von 1250 Zählern schwere Verluste auf ihrem Aktienvermögen
verbuchen. Am Donnerstag notierte der Topix, der alle Titel in der ersten Sektion der Tokioter Börse umfasst, bei 1227
Zählern, dem Stand vom März 1999. Dadurch fährt die weltweit größte Bankengruppe Mizuho Holdings etwa 9,6
Milliarden DM Verluste im Aktienportefeuille ein. Zwar ist Panikstimmung noch nicht angebracht, weil der für den
Bankensektor maßgebliche Topix auch am Donnerstag noch weit über 980 Zählern stand, dem schicksalshaften
Rekordtief im Oktober 1998, als Japan die schwerste Bankenkrise nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte und die
Regierung den Sektor mit Steuergeldern stützen musste.
Eine nachhaltige Erholung der Wirtschaft kann nur einsetzen, wenn der Bankensektor von der Last der Problemkredite
befreit wird, um endlich die notwendigen neuen Kredite an Industrien in Wachstumssegmenten und an
Jungunternehmer vergeben zu können. Signale vom Chef der Finanzaufsicht, Hakuo Yanagisawa, der Notenbank und
dem mächtigsten Wirtschaftsverband Keidanren weisen darauf hin, dass Tokio sich demnächst aufraffen und mit einem
umfassenden Reformplan dieses Problem lösen will. Bankanalysten schätzen, dass mindestens weitere 120 Milliarden
DM in den Sektor eingeschossen werden müssen.
Hiobsbotschaften
Die Talfahrt der Börse, eine fallende Industrieproduktion und der Druck der verlangsamenden Konjunktur in den USA
ergeben eine Mischung von Hiobsbotschaften an allen Fronten, die die japanischen Politiker zur nächsten
Sanierungsübung zwingen werden. Die Notenbank hat sich dem Druck bereits gebeugt und nur einen Monat nach ihrer
symbolischen Diskontsatzermäßigung am Mittwoch überraschend den Tagesgeldsatz um 10 Basispunkte auf 0,15
Prozent gesenkt. Eine Rückkehr zur Nullzinspolitik, die Japan nach der Bankenkrise 1998 bis im August 2000
beibehielt, ist nur noch eine Frage von wenigen Wochen.
Sicher ist, dass die japanische Währung unter Druck kommen und in den nächsten Monaten gegenüber dem Euro und
dem Dollar markant abwerten wird. Fast so sicher ist auch, dass Japan spätestens im zweiten Quartal 2001 wieder in
die Rezession abrutscht und die Welt sich auf neue Großkonkurse im Land der aufgehenden Sonne gefasst machen
muss. Ein Taifun steht bevor. Zu hoffen ist, dass er zur kreativen Zerstörung verknöcherter Industriebereiche führt und
somit die Erholung des Landes einleitet.
Made in Japan - bereit für Schocktherapie?
Moderator: oegeat
Tokio - Die Mitsubishi-Bilanz wird im laufenden Geschäftsjahr einem Pressebericht zufolge stärker ins Minus driften als angenommen. Der Verlust im Geschäftsjahr 2000/01 (zum 31. März) werde 250 Milliarden Yen (rund 4,4 Milliarden Mark) betragen, berichtete die "Nihon Keizai Shimbun" am Wochenende ohne Angabe von Quellen.
Der Fehlbetrag liege damit um 79 Prozent höher als bislang vorhergesagt, hieß es weiter. Im November war Mitsubishi von einem Nettoverlust in Höhe von 140 Milliarden Yen ausgegangen.
Der Fehlbetrag liege damit um 79 Prozent höher als bislang vorhergesagt, hieß es weiter. Im November war Mitsubishi von einem Nettoverlust in Höhe von 140 Milliarden Yen ausgegangen.