IlliquidX - Handelsplattform für Giftmüllpapiere
Verfasst: 08.01.2011 17:22
IlliquidX
Ein neuer Markt für Giftmüll-Papiere
Bewertungen und Auktionsverfahren sollen Bewegung in die Halde toxischer Wertpapiere bringen.
Die internetbasierten Eigenhandelsplattform IlliquidX bewertet sie - dort haben sich mittlerweile schon mehr als 1000 Marktteilnehmer angeschlossen. Von Bettina Schulz, London
Diese Halde toxischer Wertpapiere, die mangels Vertrauen der Marktteilnehmer nicht gehandelt werden, wird immer größer
08. Januar 2011 In den Giftmüll der Finanzkrise kommt Bewegung:
nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) haben Finanzinstitute während der Bankenkrise mehr als 4 Billionen Dollar Verluste mit strukturierten Wertpapieren, Krediten, mit Immobilien gestützten Wertpapieren und anderen notleidenden Forderungen schultern müssen.
Diese Halde sogenannter toxischer Wertpapiere, die mangels Vertrauen der Marktteilnehmer und stichhaltiger Bewertungsansätze nicht gehandelt werden, wird immer größer.
Mittlerweile kommen Papiere der Banken- und Schuldenkrisen in Island, Griechenland und Irland noch hinzu.
Neben den großen Investmentbanken gibt es kleine, unabhängige Marktteilnehmer wie die Betreiber der internetbasierten Eigenhandelsplattform IlliquidX, die Geld daran verdienen, dass sie Transparenz auf diesem undurchsichtigen Markt schaffen, Bewertungen der komplexen Papiere anbieten und Auktionen in diesen illiquiden Papieren durchführen.
Ein Tropfen auf dem heißen Stein
Über Jahre hat sich der Chemie-Ingenieur und ehemalige Händler von strukturierten Papieren, Celestino Amore, den Markt noch auf der Internetseite von Morgan Stanley und HSBC angeschaut. Doch schon vor der aktuellen Bankenkrise schloss er sich mit Gleichgesinnten zusammen und gründete IlliquidX, eine im Rahmen der Mifid zugelassenen Plattform, der sich mittlerweile mehr als 1000 Marktteilnehmer angeschlossen haben. Auf ihr werden Unmengen von illiquiden Hochzinsanleihen, mit Immobilien besicherten Wertpapieren, Konstrukte mit Abkürzungen wie NPL, MBS, CLOs, CDOs, CSOs, Wandelanleihen und Insolvenzforderungen aufgeführt, wenn möglich mit angehängter Dokumentation.
Die Marktteilnehmer, meist Kaufinteressenten von Fondsgesellschaften, Hedge-Fonds, Pensionsfonds, Family Offices, privaten Vermögensverwaltern, Banken, Unternehmen oder privaten Kapitalgebern, können sich dann informieren.
In dem zersplitterten europäischen Markt mit seinen länderspezifischen Rechtsrahmen, Insolvenzordnungen und anderen Eigenheiten ist es nämlich schwierig, einen Überblick zu erhalten.
Fachleute von IlliquidX bieten Kaufinteressenten eine Bewertung der Giftpapiere an.
„Wir haben kein eigenes Buch toxischer Wertpapiere, weshalb wir ein Eigeninteresse hätten, hohe Verkaufspreise durchzusetzen.
Wir haben auch keinen Eigenhandel, für den wir im Eigeninteresse billig kaufen wollten oder in Kenntnis der Kundenaufträge sogenanntes Frontrunning betreiben würden“, betont Amore.
„Wir haben es auch nicht nötig, Risiken in den Papieren zu verschleiern. Wir verstehen, dass Käufer erhebliche Risikoabschläge einkalkulieren müssen.“
Gerade weil IlliquidX kein eigenes Buch toxischer Papiere führt, können die etwa 20 Mitarbeiter Marktpreise ermitteln, ohne einen internen Interessenkonflikt auszulösen: Marktpreise können nämlich Inhaber von toxischen Papieren zwingen, diese auf den festgestellten Marktpreis abzuschreiben. „Viele Marktteilnehmer sind nicht erpicht darauf, dass Marktpreise für toxische Papiere festgestellt werden“, sagt Amore.
IlliquidX hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von 4 Milliarden Euro getätigt.
Dies ist ein Tropfen auf den heißen Stein, aber es ist ein Anfang.
Selbst von den Lehman-Verbindlichkeiten in Höhe von 600 Milliarden Dollar wurden bisher erst 20 bis 30 Prozent gehandelt.
Geld drucken, Inflationsgefahr vergrößern
Amore ist überzeugt, dass der Druck der Marktteilnehmer, toxische Wertpapiere zu verkaufen, steigen wird:
dies seien in der Regel Banken, darunter viele deutsche, staatliche Spezialgesellschaften, die wie die irische NAMA den Banken Milliarden von hochriskanten Risikopositionen abgekauft haben, oder Spezialgesellschaften wie Protium, die von Banken wie Barclays ausgegliederte Risikopositionen halten.
Oder letztlich sogar Zentralbanken, die im Rahmen der Schuldenkrisen illiquide Staatstitel aufkaufen. „Die Marktteilnehmer werden die Papiere nicht endlos lange halten können.
Die Illiquidität blockiert Kapital auf Seiten der Banken und verhindert neue Geschäftsmöglichkeiten.
Die schärferen Eigenkapitalvorschriften von Basel III werden die Banken zwingen, sich in Zukunft stärker von ihren toxischen Positionen zu trennen“, sagt Amore.
Er ist sich sicher, dass der Umsatz am Markt steigen wird, vor allem in der zweiten Jahreshälfte, wenn eine Welle von Papieren, die mit gewerblichen Hypotheken besichert sei, fällig und zum Teil notleidend werde.
„Bisher haben die Notenbanken und Staaten mit der Übernahme der toxischen Papiere das Problem der Zahlungsausfälle nur in die Zukunft verlagert.
Das hört irgendwann auf und dann müssen die Verluste realisiert, müssen die Papiere zu erheblichen Abschlagswerten wieder gehandelt werden“,
sagt Amore. Die Alternative für die volkswirtschaftlichen Systeme sei sonst, weiter Geld zu drucken und immer größere Inflationsgefahren zu schüren.
Wenn sich bei den Auktionen ein Bieter durchsetzt, werden zwischen ihm und dem Verkäufer die Bedingungen der Transaktion festgelegt, die Transaktion durchgeführt und über namhafte Clearinghäuser geschleust. Der Handel läuft per Telefon. Es handelt sich bei IlliquidX nicht um eine Börse.
Text: F.A.Z.
Bildmaterial: dpa
Ein neuer Markt für Giftmüll-Papiere
Bewertungen und Auktionsverfahren sollen Bewegung in die Halde toxischer Wertpapiere bringen.
Die internetbasierten Eigenhandelsplattform IlliquidX bewertet sie - dort haben sich mittlerweile schon mehr als 1000 Marktteilnehmer angeschlossen. Von Bettina Schulz, London
Diese Halde toxischer Wertpapiere, die mangels Vertrauen der Marktteilnehmer nicht gehandelt werden, wird immer größer
08. Januar 2011 In den Giftmüll der Finanzkrise kommt Bewegung:
nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) haben Finanzinstitute während der Bankenkrise mehr als 4 Billionen Dollar Verluste mit strukturierten Wertpapieren, Krediten, mit Immobilien gestützten Wertpapieren und anderen notleidenden Forderungen schultern müssen.
Diese Halde sogenannter toxischer Wertpapiere, die mangels Vertrauen der Marktteilnehmer und stichhaltiger Bewertungsansätze nicht gehandelt werden, wird immer größer.
Mittlerweile kommen Papiere der Banken- und Schuldenkrisen in Island, Griechenland und Irland noch hinzu.
Neben den großen Investmentbanken gibt es kleine, unabhängige Marktteilnehmer wie die Betreiber der internetbasierten Eigenhandelsplattform IlliquidX, die Geld daran verdienen, dass sie Transparenz auf diesem undurchsichtigen Markt schaffen, Bewertungen der komplexen Papiere anbieten und Auktionen in diesen illiquiden Papieren durchführen.
Ein Tropfen auf dem heißen Stein
Über Jahre hat sich der Chemie-Ingenieur und ehemalige Händler von strukturierten Papieren, Celestino Amore, den Markt noch auf der Internetseite von Morgan Stanley und HSBC angeschaut. Doch schon vor der aktuellen Bankenkrise schloss er sich mit Gleichgesinnten zusammen und gründete IlliquidX, eine im Rahmen der Mifid zugelassenen Plattform, der sich mittlerweile mehr als 1000 Marktteilnehmer angeschlossen haben. Auf ihr werden Unmengen von illiquiden Hochzinsanleihen, mit Immobilien besicherten Wertpapieren, Konstrukte mit Abkürzungen wie NPL, MBS, CLOs, CDOs, CSOs, Wandelanleihen und Insolvenzforderungen aufgeführt, wenn möglich mit angehängter Dokumentation.
Die Marktteilnehmer, meist Kaufinteressenten von Fondsgesellschaften, Hedge-Fonds, Pensionsfonds, Family Offices, privaten Vermögensverwaltern, Banken, Unternehmen oder privaten Kapitalgebern, können sich dann informieren.
In dem zersplitterten europäischen Markt mit seinen länderspezifischen Rechtsrahmen, Insolvenzordnungen und anderen Eigenheiten ist es nämlich schwierig, einen Überblick zu erhalten.
Fachleute von IlliquidX bieten Kaufinteressenten eine Bewertung der Giftpapiere an.
„Wir haben kein eigenes Buch toxischer Wertpapiere, weshalb wir ein Eigeninteresse hätten, hohe Verkaufspreise durchzusetzen.
Wir haben auch keinen Eigenhandel, für den wir im Eigeninteresse billig kaufen wollten oder in Kenntnis der Kundenaufträge sogenanntes Frontrunning betreiben würden“, betont Amore.
„Wir haben es auch nicht nötig, Risiken in den Papieren zu verschleiern. Wir verstehen, dass Käufer erhebliche Risikoabschläge einkalkulieren müssen.“
Gerade weil IlliquidX kein eigenes Buch toxischer Papiere führt, können die etwa 20 Mitarbeiter Marktpreise ermitteln, ohne einen internen Interessenkonflikt auszulösen: Marktpreise können nämlich Inhaber von toxischen Papieren zwingen, diese auf den festgestellten Marktpreis abzuschreiben. „Viele Marktteilnehmer sind nicht erpicht darauf, dass Marktpreise für toxische Papiere festgestellt werden“, sagt Amore.
IlliquidX hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von 4 Milliarden Euro getätigt.
Dies ist ein Tropfen auf den heißen Stein, aber es ist ein Anfang.
Selbst von den Lehman-Verbindlichkeiten in Höhe von 600 Milliarden Dollar wurden bisher erst 20 bis 30 Prozent gehandelt.
Geld drucken, Inflationsgefahr vergrößern
Amore ist überzeugt, dass der Druck der Marktteilnehmer, toxische Wertpapiere zu verkaufen, steigen wird:
dies seien in der Regel Banken, darunter viele deutsche, staatliche Spezialgesellschaften, die wie die irische NAMA den Banken Milliarden von hochriskanten Risikopositionen abgekauft haben, oder Spezialgesellschaften wie Protium, die von Banken wie Barclays ausgegliederte Risikopositionen halten.
Oder letztlich sogar Zentralbanken, die im Rahmen der Schuldenkrisen illiquide Staatstitel aufkaufen. „Die Marktteilnehmer werden die Papiere nicht endlos lange halten können.
Die Illiquidität blockiert Kapital auf Seiten der Banken und verhindert neue Geschäftsmöglichkeiten.
Die schärferen Eigenkapitalvorschriften von Basel III werden die Banken zwingen, sich in Zukunft stärker von ihren toxischen Positionen zu trennen“, sagt Amore.
Er ist sich sicher, dass der Umsatz am Markt steigen wird, vor allem in der zweiten Jahreshälfte, wenn eine Welle von Papieren, die mit gewerblichen Hypotheken besichert sei, fällig und zum Teil notleidend werde.
„Bisher haben die Notenbanken und Staaten mit der Übernahme der toxischen Papiere das Problem der Zahlungsausfälle nur in die Zukunft verlagert.
Das hört irgendwann auf und dann müssen die Verluste realisiert, müssen die Papiere zu erheblichen Abschlagswerten wieder gehandelt werden“,
sagt Amore. Die Alternative für die volkswirtschaftlichen Systeme sei sonst, weiter Geld zu drucken und immer größere Inflationsgefahren zu schüren.
Wenn sich bei den Auktionen ein Bieter durchsetzt, werden zwischen ihm und dem Verkäufer die Bedingungen der Transaktion festgelegt, die Transaktion durchgeführt und über namhafte Clearinghäuser geschleust. Der Handel läuft per Telefon. Es handelt sich bei IlliquidX nicht um eine Börse.
Text: F.A.Z.
Bildmaterial: dpa