Ich habe gerade was interessantes gefunden, daß ich euch nicht vorenthalten will:
Zum Thema: Wiederholt sich die Geschichte, (ein Artikel von Bernd Niquet).
Anmerkung meinerseits: interessant sind nur der Wortlaut und die Erklärungen nach dem Anstieg von 50% von 1929 auf 30 und die Verdrängung von negativen Nachrichten vor dem zweiten Absturz bis 1932.
Manche Dinge sind wirklich gespenstisch. Andere hingegen eher theoretisch. Bei einigen jedoch vermengen sich das Gespenstische und das Theoretische. Diese nennt man dann Präzedenzfälle. Von einem möchte ich heute berichten.
Normalerweise glauben wir, aus der Geschichte für die Gegenwart lernen zu können. Doch aus vielfältigen Gründen sind derartige Erkenntnissprozesse prinzipiell beschränkt: Weil Geschichte lästig ist, weil Geschichte umfangreich ist und weil Geschichte sich sowieso nicht identisch wiederholt. Doch der Hauptpunkt ist: Weil die Geschichtsschreibung gemeinhin streng selektiv ist und daher die Mannigfaltigkeit des Geschehens stets auf eine wenige und eher gering komplexe Faktoren reduziert.
Der historische Vergleich
Ich habe bereits seit längerer Zeit die These vertreten, dass unsere gegenwärtige wirtschaftliche und börsenmäßige Situation sehr stark an die Periode 1929/1930 erinnert. Eine enorme Überspekulation zerplatzt, und die Weltwirtschaft rutscht (damit) von einem inflationären in ein eher deflationäres Szenario, was jedoch bedeutet: Die "Spielregeln" ändern sich abrupt, obwohl sich alle mit Händen und Füßen dagegen stemmen, dies zu akzeptieren.
Einen Blick auf diese Periode zu werfen, ist daher von großem Nutzen: Doch welches Bild haben wir eigentlich von dieser Zeit? Meine These: Die Menschen wissen von dieser Zeit entweder gar nichts, oder sie haben das folgende Bild im Kopf: Der große Crash 1929 - und danach alles schwarz. Und: Die Krise 1929 ff. ist durch politische Fehler verursacht beziehungsweise verschlimmert worden, die uns heute nicht mehr passieren können. Wir Glücklichen! Denn damals war die Geldpolitik aus den verschiedensten Gründen zu restriktiv. Heute hingegen ist das alles anders.
Lassen Sie sich das bitte auf der Zunge zergehen!
Am Wochenende habe ich einmal ausführlich in alten Zeitschriften gestöbert, konkret im "Berliner Börsen-Courier" der Monate Januar bis März 1930. Ich kann Ihnen nur dringend raten, die folgenden Texte aufmerksam zu lesen. Denn Sie werden aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Kleine Vorbemerkung meinerseits noch dazu: Im Crash 1929 war der Dow Jones Index um etwa 50 Prozent von seinem Top gefallen, hat diese Verluste jedoch bis April 1930 zur Hälfte wieder aufgeholt. Und erst dann kam die große Talfahrt, die letztlich den Dow von 400 Punkten im Spätsommer 1929 beziehungsweise 300 Punkten im April 1930 auf nur noch 41 Punkte im Jahr 1932 fallen ließ:
"Die Reaktion an der New Yorker Börse hat, ohne ein besonderes Ausmaß zu nehmen, den Markt in eine recht günstige technische Position gebracht. Trotz überwiegend ungünstiger Wirtschaftsmeldungen hatten die Baisseangriffe keine nachhaltigen Erfolg, so dass neuerdings ein erheblicher Prozentsatz der Baissiers die Politik gewechselt hat, besonders unter dem Eindruck der Tatsache, dass selbst die sensationellen Warenpreisbewegung (Güterpreise sinken, B.N.) keine Angstverkäufe des Publikums ausgelöst hat."
Die Wirtschaftslage
"Der außerordentlich aufschlussreiche jüngste Bericht des Instituts für Konjunkturforschung, der ohne jede Schönfärberei die augenblickliche Wirtschaftslage widerspiegelt, öffnet gleichzeitig recht weit das Tor der Hoffnung. Die Kraftreserven sind verhältnismäßig stark. Ganz abgesehen davon, dass nicht nur in Deutschland aktionsbereites Kapital mit Spannung auf den Augenblick wartet, in dem es bei äußerst geringem Risiko die besten Chancen für eine gute Verdienstmöglichkeit sieht, ruhen auch im Geldmarkt selbst, wenn man ihn von der Diskontseite her betrachtet, noch allerlei Auftriebsenergien."
"Der Diskont wird gesenkt. Die Wirtschaft wird es auf das freudigste begrüßen, dass die Reichsbank auch diesmal nicht lange mit dem Diskontsatz gewartet hat, nachdem die Bank von England vorangegangen war."
Die Fonds und die Ansprüche der Aktionäre
"Das Börsenjahr 1930 ist noch viel zu jung, um es schon klassifizieren zu können. Aber es hat sich nicht nur an den deutschen Effektenmärkten im ersten Monat seines Lebens so viel versprochen, dass die sehr klein und bescheiden gewordenen Effektenbesitzer in der alten und in der neuen Welt sich das Recht herausnahmen, auch an den Februar des jungen Jahres besondere und wenn möglich sogar noch höhere Ansprüche zu stellen."
"Investment-Käufe. Die Baissepartei argumentiert damit, dass sich der Markt während der kontinuierlichen Aufwärtsbewegung überkauft habe, so dass eine Reaktion fällig sei. Sie übersieht dabei aber, dass die in der Berichtswoche vorgenommenen Käufe größtenteils echte Anlagekäufe waren und die Beobachtung zu machen war, dass die Investmenttrusts stärker kauften, wenn sie es auch sorgfältig zu verbergen suchten."
Die Markttechnik und die Liquiditätshausse
"Die Tendenz der Wallstreet hat eine neue Fragestellung: War der Herbstkrach wirklich das Ende einer langjährigen Hausseperiode oder nur eine starke technische Reaktion infolge erheblich überkaufter Positionen? Die gesamte Kurserholung ist inzwischen derartig gewesen, dass die Indizes die Wettmachung von rund 50 Prozent der Verluste anzeigen. Diese Besserung ging erheblich schneller vor sich als man erwartet hatte. Darüber hinaus hatten die letzten Wochen im Gesamtbild der Börse zweifellos einen haussierenden Charakter."
"Reflexe der Börsenwoche - Der richtige Augenblick. Überall strömten kleine Kapitalien, die verängstigte Kleinbürger aller Nationen vorsorglich im Sparstrumpf zurückgehalten hatten, ans Tageslicht. Aufgrund der Geldverbilligung wird der Anreiz, ins Gewicht fallende Summen den verschiedenen Kreditinstituten zur Verfügung zu stellen, infolge des weiter abgleitenden Zinsfußes immer geringer, und notgedrungen müssen diese Kapitalien, die der Wirtschaft infolge der bekannten konjunkturellen Hemmungen jetzt nur selten nutzbringend zur Verfügung gestellt werden können, einen neuen Wirkungskreis suchen. Zuerst ging, wie gewöhnlich, die Umschichtung wieder am festverzinslichen Markt vor sich, und dieser war erneut der erprobte Schrittmacher für die Übersiedlung auf den Aktienmarkt."
Quintessenz
Wenn man das alles gelesen hat, dann sieht man: Die Sprache hat sich im Zeitablauf zwar manchmal etwas gewandelt, doch die Argumentationen wie die Hoffnungen sind stets die selben: Zinssenkungen kurbeln die Wirtschaft an und führen dazu, dass aufgrund der niedrigen Zinsen, Aktienanlagen im Vergleich zu Zinsanlagen attraktiver werden. Doch eines kann der Aktionär daraus nur sehr schwer erkennen: Ob die elfenbeinartigen Dinge, die er jetzt gerade im Dunkeln leuchten sieht, Perlen sind, die er nur aufzuheben braucht. Oder ob es sich dabei vielmehr um die Zähne des Bären handelt, der nur geduldig darauf gewartet hat, die maximale Anzahl an Schäfchen reißen zu können.
Dr. Bernd Niquet ist Buchautor. Gerade ist ein neues Buch von ihm erschienen: Der Zauberberg des Geldes. FinanzBuch Verlag.
Wiederholt sich die Geschichte ?
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Wiederholt sich die Geschichte ?
Schöne Grüsse, Willi