An der Bildung ist die DDR nicht gescheitert, aber die BRD wird es, wenn man das nicht in den Griff bekommt.
Es war in der ex DDR normal gemeinsam 8 Jahre die Schulbank zu drücken.
Wir waren bis zur 8. Klasse 30, 12 gingen mit der 8. ab, 16 blieben und 2 "durften" zur Erweitereten Oberschule und das Abi machen. Heute ist das Abitur aus meiner Sicht absolute Massenware.
Das ist das eigentliche Problem.
Wer nicht studieren will braucht grundsätzlich auch kein Abitur.
Aber auch da fängt es schon an. Was für ein Scheiß so alles studiert wird, wo man später auch einen guten Facharbeiter hinsetzen könnte.
Jede Schwachmatte will/muß das Abi ablegen.
das Hauptproblem - für jeden Scheiß ist Geld da, nur nicht für die Bildung
Hamburger Schulreform: Eine Frau spaltet eine Stadt
Seit zwei Jahren versucht die grüne Schulsenatorin Christa Goetsch die Hamburger von den Vorteilen des längeren gemeinsamen Lernens zu überzeugen.
Kaum eine andere Bildungspolitikerin verfügt derzeit über eine ähnliche schulpolitische Expertise und biografische Glaubwürdigkeit wie Goetsch. Doch nun stimmen die Bürger ab.
HAMBURG. Es geschah am Hamburger Flughafen vor ein paar Wochen.
Vor der letzten Phase ihres Kampfes um die Schulreform wollte sich Christa Goetsch ein paar Tage in Rom gönnen.
Es war der erste Urlaub nach langer Zeit. Vor dem Abflug schlenderte sie durch den Duty-free-Shop, als sich plötzlich ein Mann vor ihr aufbaute.
»Sie sind die meistgehasste Frau Hamburgs«, brach es aus dem Fremden heraus. (sicher aus der besseren Gesellschaft)
Dann spuckte er auf den Boden. Der Mann war offenbar ein Hamburger Vater. Sein Kind stand an seiner Seite.
Eine Frau spaltet eine Stadt.
Seit der schwarz-grüne Senat beschlossen hat, die Grundschule um zwei Jahre zu verlängern, geht ein Riss durch Hamburg.
Der Streit entzweit Lehrerkollegien und Parteien, Familien und Zeitungsredaktionen.
Am übernächsten Sonntag soll ein Volksentscheid die Mehrheitsverhältnisse in der Frage klären. Das Ergebnis ist völlig offen.
Für Schulsenatorin Christa Goetsch ist es der wichtigste Tag in ihrem politischen Leben. Nicht nur die Zukunft der ersten schwarz-grünen Koalition auf Landesebene steht auf dem Spiel, sondern auch die der deutschen Schulpolitik insgesamt.
Gewinnt Goetsch, wird sie die erste Schulpolitikerin seit Jahrzehnten sein, die das gemeinsame längere Lernen für alle Kinder in einem Bundesland durchgesetzt hat. Verliert sie, hat sie gezeigt, dass große Strukturreformen hierzulande nicht durchsetzbar sind. Schon heute jedoch hat Christa Goetsch bewiesen, dass kein anderes Thema bei den Bürgern heftigere Emotionen freisetzt als die Zukunft der Schule. Dass ausgerechnet sie diesen Beweis erbringt, ist kein Zufall.
Kaum eine andere Bildungspolitikerin verfügt derzeit über eine ähnliche schulpolitische Expertise und biografische Glaubwürdigkeit wie Goetsch. Gleichzeitig macht ihre Fachkunde die Grüne anfällig für Überheblichkeiten und politische Fehleinschätzungen.
Wer Goetsch kurz vor der Abstimmung trifft, begegnet einer Frau, die mehr denn je glüht für ihre Idee – und bis heute nicht recht verstehen kann, warum sich die große Mehrheit der Stadt ihrer Begeisterung nicht angeschlossen hat.
Denn was sind schon zwei Gymnasialjahre, die wegfallen, wenn dadurch das ganze Schulsystem gerechter wird?
Was wiegen die Sorgen einer Handvoll humanistischer Oberschulen um ihren Latein- und Griechischunterricht gegen die Chance für Zehntausende Migrantenkinder, in einer längeren Grundschulzeit ihre Deutschdefizite auszugleichen?
Und warum soll hierzulande unmöglich sein, was fast in der ganzen Welt üblich ist?
Bis zur Erschöpfung hat die Frau mit dem dunklen Lockenkopf, den stets weit ausholenden Gesten und der fast erdrückenden Begeisterungsfähigkeit in den vergangenen zwei Jahren für ihre Position geworben.
Ob katholische Lehrerschaft, der vornehme Übersee-Club oder die Seniorenvereinigung der CDU: Goetsch scheute kein Publikum.
»Man hat das Gefühl, dass sie die Auseinandersetzung geradezu braucht«, sagt einer aus ihrem Umfeld.
Am liebsten würde sie jeden Zweifler persönlich in eine der Vorzeigeschulen mitnehmen, die das gemeinsame Lernen schon heute erfolgreich vormachen.
So wie sie es mit dem Ersten Bürgermeister Ole von Beust gemacht hat oder dem Präsidenten der Handelskammer. »Die Gegner der Reform haben Angst, dass man ihnen etwas wegnimmt. Sie sehen nicht, dass die Primarschule der ganzen Stadt etwas geben wird«, sagt sie.
Es ist Samstag früh. Noch ist kein Café offen, Christa Goetsch hat zu Kaffee und Brötchen nach Hause geladen.
Bücherregale reihen sich hoch bis zu den Stuckleisten, auf den glänzenden Holzdielen stapeln sich pädagogische Zeitschriften.
Rechts von dem Haus schlägt an vier Tagen in der Woche ein Ökomarkt seine Stände auf, links strömen mehrmals täglich Gläubige in eine Moschee. Seit mehr als 25 Jahren wohnt Christa Goetsch in Hamburg-Altona, dem alternativ-bürgerlichen Zentrum der Stadt.
Hier hat sie Anfang der achtziger Jahre den ersten deutsch-türkischen Kindergarten Hamburgs gegründet. Hier unterrichtete sie 22 Jahre lang als Lehrerin an einer Brennpunktschule.
Wer wissen will, woher die heute 57-Jährige ihre Überzeugungskraft nimmt, hier wird er fündig.
Bevor Goetsch nach Hamburg kam, ist sie dagegen eher unpolitisch gewesen. Aufgewachsen in einer streng katholischen Familie – der Vater ist Biologieprofessor, die Mutter Zahnarzthelferin –, zieht die gebürtige Bonnerin dem zeitüblichen Protestieren das Lernen vor: erst auf einem katholischen Mädchengymnasium in München, später im Lehramtsstudium der Biologie und Chemie in Frankfurt. »In manchem Seminar war ich die einzige Nichtmarxistin«, erinnert sie sich.
Bürgerlich, das war für Goetsch noch niemals Schimpfwort:
Oft sieht man sie in der Oper oder im Ballett, im Winter fährt sie Ski, sommers geht sie Segeln. Einmal kreuzte sie durch die Ägäis bis nach Sizilien und las parallel Homers Odyssee.
Doch schon im ersten Schulpraktikum im Frankfurter Bahnhofsviertel erfährt die junge Lehrerin, was es heißt, ohne Privilegien aufzuwachsen.
Als Hauptschullehrerin an der Theodor-Haubach-Schule in Altona schärft sich dieser Sinn für Gerechtigkeit. In ihrem Unterricht versammeln sich die Kellerkinder des Bildungssystems:
Migranten ohne Deutschkenntnisse,
Kinder von Sozialhilfeempfängern,
aufmüpfige Jugendliche, die dem Gymnasium lästig waren.
Dort erlebt Goetsch, »wie Schüler systematisch um ihre Möglichkeiten gebracht wurden«. Sie erprobt neue Unterrichtskonzepte, paukt selbst Türkisch-Vokabeln, engagiert sich in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) als Sprecherin für Migranten – lange vor der ersten Pisa-Studie, als das Thema noch niemanden interessiert.
Nur die Chancen ihrer Schüler verbessern sich kaum.
Erst als ihre Haupt- und Realschule die Trennung zwischen beiden Schülergruppen aufhebt, ändert sich etwas.
Plötzlich werfen die Hauptschüler ihre Lethargie ab, sie haben jetzt Vorbilder und schreiben bessere Noten – ohne die Realschüler in ihren Leistungen zu beeinträchtigen.
Für Goetsch ist das ein »Schlüsselerlebnis«, ihre pädagogische Erleuchtung: Gemeinsames Lernen ist möglich.
Mit dieser Botschaft zieht sie in die Politik, wird für die Grün-Alternative Liste Bürgerschaftsabgeordnete und schnell Fraktionsvorsitzende. »Neun macht klug« heißt ihr Programm für die Einheitsschule. Als die CDU 2008 in den Koalitionsverhandlungen anbietet, die Grundschulzeit auf sechs Jahre zu verlängern, ergreift sie die Chance. Die Idee der Primarschule wird geboren. Und niemand anders als Goetsch scheint besser geeignet zu sein, die Großreform als Bildungssenatorin durchzusetzen.
Denn lange Zeit gilt die Grünen-Politikerin in Hamburg als Everybody’s Darling. »Offen und neugierig«, »fröhlich und charmant«, »kenntnisreich und höchst engagiert«: So schildern sie auch diejenigen, die nicht ihrer Partei angehören. Mit Michael Freytag, bis März CDU-Landesvorsitzender, war Goetsch schon per Du, als beide noch politische Gegner waren.
Zur verbohrten Ideologin, als die sie ihre Kritiker beschreiben, fehlt Goetsch der Charakter.
Nur den Blick von unten auf das Schulsystem hat sich die Hamburgerin bis heute bewahrt.
Und genau das hat sich in den vergangenen zwei Jahren als Problem erwiesen. Denn die Perspektive der Verlierer hat sie zeitweilig blind gemacht für die Ängste der Gewinner, jener Eltern also, die das Gymnasium als die einzig mögliche Schulform für ihr Kind ansehen.
Und sie haben in der Hansestadt die Mehrheit.
Diese Mehrheit hat Goetsch lange ignoriert.
Die Grüne vermutete hinter dem Widerstand gegen die Primarschule allein den Egoismus privilegierter Kreise, die ihre Sprösslinge möglichst schnell vor den Schmuddelkindern auf dem Gymnasium in Sicherheit bringen wollten.
Da wird sie wohl richtig liegen. Das sage ich, als jemand der die Grünen im Grundsatz nicht abkann. Deshalb, weil ich sie mehr als Ökofanatiker wahrnehme.
Besonders deutlich wurde dieser Irrtum über die soziale Basis des Protestes im Streit um das Elternwahlrecht.
In Hamburg haben – anders als etwa in Bayern oder Baden-Württemberg – die Eltern das letzte Wort, ob ihr Kind auf das Gymnasium kommt.
[color=grün]Das ist schon einmal ein Grundsatzfehler. Schon deshalb, weil das Abitur Geld kostet. Wer nicht die Voraussetzungen erfüllt, hat dort nichts verloren.[/color]
Genau dieses Recht sollte im Zuge der Schulreform wegfallen.
Dahinter steckte ein vernünftiger, wenn auch komplizierter Gedanke:
Die Gymnasien in die Pflicht zu nehmen, sich auch um ihre schwächeren Lerner besser zu kümmern, funktioniert nur, wenn man ihnen die Möglichkeit entzieht, diese Schüler auf andere Schulformen abzuschieben. Quasi als Ausgleich sollten sie dafür nur solche Schüler aufnehmen dürfen, die ihre Gymnasialreife mit Zeugnissen und Tests belegen.
Die meisten Hamburger mochten dieser Logik nicht folgen.
Typisch norddeutsch

Der Norddeutsche braucht immer etwas länger
Da konnte Goetsch noch so sehr wissenschaftliche Studien zitieren, die dem Elternwahlrecht eine soziale Schieflage attestieren.
Oder darauf hinweisen, dass die Leistungsprognose eines Kindes nach sechs Jahren besser gelingt als nach vier.
Statt Verständnis erntete die Schulsenatorin Entrüstung.
Viele Eltern fühlten sich eines quasi natürlichen Rechts beraubt und unterstützten fortan die Forderung der Initiative »Wir wollen lernen« nach einem Volksentscheid gegen die Primarschule – selbst wenn sie dem Vorhaben nicht prinzipiell feindlich gesinnt waren.
184 500 Unterschriften sammelten die Reformgegner schließlich im vergangenen November. Weit mehr, als Goetsch es sich in ihren schlimmsten Befürchtungen ausgemalt hatte.
»Wir Grüne müssen uns fragen, ob wir uns rechtzeitig um die Mehrheit der Bevölkerung gekümmert haben«, sagt selbstkritisch die Hamburger Bundestagsabgeordnete Krista Sager.
Auch Goetsch räumt mittlerweile ein, »die Bedeutung des Elternwahlrechts völlig unterschätzt zu haben«.
Inzwischen ist der Fehler behoben, das Reformgesetz wurde überarbeitet. Doch das Gefühl, die Schulsenatorin sei eine Besserwisserin, die die Bürger bevormunden wolle, ist bei manchem Hamburger geblieben. Mitunter schlägt dieses Gefühl in Hass um.
Goetsch habe den Sprung von der Fachfrau zur politischen Strategin nicht geschafft, kritisiert manch einer, auch aus ihrer eigenen Partei.
Dabei macht das ihre Stärke aus.
Die Zweite Hamburger Bürgermeisterin strebt keine weitere Karriere an, sie sagt meist, was sie denkt, auch wenn es dem Gegenüber missfällt.
Wo findet man das noch in der Politik ?
Gleichzeitig ist ihr überbordendes Engagement für die Sache ihre größte Schwäche. Denn gerade in der Bildungspolitik lässt sich nicht alles, was inhaltlich sinnvoll scheint, auch durchsetzen.
Viele rieten Goetsch, den humanistischen Gymnasien in der Stadt die acht Jahre Lernzeit am Stück zu lassen, um dem Widerstand gegen die Primarschule die Spitze zu nehmen.
Goetsch weigerte sich, ebenso wie sie die Gesamtschulen in der Stadt nicht von der Reform ausnehmen wollte.
»Es gibt keine Ausnahmen, weder in der einen noch in der anderen Richtung«, sagt Goetsch.
Nicht nur politisch, auch persönlich hatte diese Prinzipienfestigkeit ihren Preis.
Ihr Mann ist Lehrer an der preisgekrönten Max-Brauer-Gesamtschule in Altona, die keine Primarstufe haben will.
Im Streit um die Reform hat Karl-Heinz Goetsch den Posten als Öffentlichkeitsbeauftragter seiner Schule verloren, für Wochen wurde er krank.
Große Schulreformen gelingen nur im Konsens, lautet ein Gesetz der Schulpolitik: Christa Goetsch hat gegen diese ungeschriebene Regel verstoßen.
KONSENS - das ist genau der Begriff, der in D fast alles unmöglich macht.
Am 18. Juli wird sich entscheiden, ob sie dafür bestraft wird oder am Ende die Belohnung erhält, das pädagogisch Notwendige gegen alle Widerstände durchgesetzt zu haben.