Gottfried Heller ist einer der renommiertesten Fondsmanager und Vermögensverwalter in Deutschland. FundResearch sprach mit dem Investment-Urgestein und Kostolany-Intimus über Börse, Zinsen und Politik
"Die Weisheiten von André Kostolany haben sich wieder einmal bewahrheitet"

FundResearch: Herr Heller, zuletzt ging es mit Aktien massiv abwärts. Ist der dreijährige Anstieg der Aktien nun beendet, oder sind wieder mal nur die zittrigen Hände aus dem Markt geworfen worden?
Heller: Sicherlich haben sich wieder einmal die Weisheiten meines Freundes und Geschäftspartners André Kostolany bewahrheitet, daß die Anleger, die zu spät auf den Zug aufgesprungen sind, für Kursschwankungen sorgten. Die meisten Anleger haben durch die bitteren Erfahrungen der Baisse zu lange auf sichere Anlagen gesetzt. Jetzt ist die Stimmung der Anleger wieder sehr pessimistisch. Das Put/Call-Ratio ist so hoch wie 2000.
FundResearch: Ist dies also der Anfang vom Ende der Herrlichkeit?
Heller: Der Kursrückgang in den vergangenen beiden Monaten ist sicher nicht der Beginn einer Baisse, nur eine Korrektur. Allerdings glaube ich nicht, daß die Märkte sofort wieder in den Steigflug übergehen. Es ist eher wahrscheinlich, daß die Korrektur noch eine Weile weitergeht, bis sie endgültig abgeschlossen ist. "Die vielen Verwerfungen an den Märkten lassen sich nicht innerhalb weniger Monate bereinigen"
FundResearch: Welche Gründe haben Sie dafür?
Heller: Die lange Niedrigzinsphase hat zu vielen Verwerfungen an den Märkten geführt. So etwas läßt sich nicht innerhalb weniger Monate bereinigen. Die dadurch hervorgerufenen Spekulationsexzesse waren wohl auch einer der Gründe, warum ex-Fed-Chef Alan Greenspan die Zinsen nur in Schritten von 0,25 Prozentpunkten angehoben hat. Er hat den Markteilnehmern somit Zeit gegeben, um sich darauf einzustellen.
FundResearch: Was ist von seinem Nachfolger Ben Bernanke zu erwarten? Heller: Bernanke wird wohl nicht mehr viel an der Zinsschraube drehen. In den USA neigt sich der Erhöhungszyklus dem Ende entgegen. "Die Fed hat die meiste Arbeit erledigt"
FundResearch: Wie kommen Sie darauf?
Heller: Die Fed hat die meiste Arbeit mit den Zinserhöhungen bis auf 5,25 Prozent erledigt. Zudem haben die Rohstoffpreise nachgegeben. Das vermindert den Inflationsdruck in den USA. Auch der Immobilienmarkt hat sich deutlich beruhigt. Das sollte den Konsum auf Pump der US-Amerikaner und damit das Wirtschaftswachstum etwas bremsen.
FundResearch: Was wird die EZB machen?
Heller: In Europa wird es noch einige kleinere Zinsschritte geben. Im Vierteljahrestakt werden die Zinsen wohl steigen.
FundResearch: Was macht Sie da so sicher?
Heller: Die EZB kann es sich nicht erlauben, die Schraube zu fest anzuziehen, da etwa in Deutschland der Staat die Bürger immer mehr belastet und daher kaum Inflationsdruck aufkommt.
"Die deutsche Politik ist ein Sanierungsfall"
FundResearch: Die These klingt gewagt. Gerade in Deutschland versucht man doch, Reformen durchzuführen.
Heller: Was die große Koalition produziert, kann man nur als Reförmchen und Flickschusterei bezeichnen. Zugleich sagt Angela Merkel: "Deutschland ist ein Sanierungsfall." Das Stimmt so nicht. Die Wirtschaft ist trotz aller Belastungen und Schikanen produktiv und wettbewerbsfähig. Die Politik ist ein Sanierungsfall. Die Vorstellung, die in Berlin von der großen Koalition gegeben wird, ist einfach nur kläglich. Die soziale Marktwirtschaft von Ludwig Erhard, findet nicht mehr statt.FundResearch: Was dann? Heller: Eher eine Staatswirtschaft. Denn die Staatsquote liegt in Deutschland bei rund 50 Prozent. In Japan und den USA nur bei 33 Prozent."Die Politik läuft den Entscheidungen der Wirtschaft immer hinterher"
FundResearch: Wie kann man das ändern?
Heller: Das Wahlrecht müßte geändert werden, so daß eindeutige Mehrheiten im Parlament entstehen, wie in den USA oder England. Zudem müßte die Macht der Gewerkschaften eingeschränkt werden. Maggie Thatcher hat dies geschafft, so daß heute in England niemand mehr Arthur Scargill von der Bergarbeitergewerkschaft kennt, der das Land zur Zeit von Premier Edward Heath fast lahmlegte. Es wäre gut, wenn dies auch bei uns passieren würde und
Namen wie Bsirske

Ebenso müßte die Macht der Lobbyisten und Verbände beschnitten werden.
FundResearch: Wenn es so schlimm aussieht, warum sollte ich dann überhaupt deutsche Aktien kaufen?
Heller: Weil die Politik weltweit Tag für Tag an Einfluß verliert. Die Wirtschaft gibt den Ton an und die Politik läuft den Entscheidungen der Wirtschaft immer hinterher. Die Unternehmen haben zwar in Deutschland ihren Firmensitz, aber besonders die Verflechtung in Europa ist sehr weit fortgeschritten. Denken Sie nur an Siemens und Nokia, HVB und Unicredit oder auch an die Verbindungen nach Osteuropa etwa mit Gazprom."Der Dax wird Ende des Jahres höher stehen als heute"
FundResearch: Also nicht nach Berlin schauen, sondern lieber investieren?Heller: Ich denke schon. Der Dax wird Ende des Jahres höher stehen als heute – sogar über 6000 Punkten. Dabei halte ich Blue Chips für attraktiver als etwa Small und Mid Caps, die mir zu teuer sind. Vor allem Werten aus dem Pharma-, Telekom- und Mediensektor traue ich einiges zu, da sie sich in den vergangenen Jahren schlecht entwickelt haben. Etwa die Deutsche Telekom mit einer Dividendenrendite von knapp sechs Prozent.
Im Profil: Gottfried Heller, Jahrgang 1935, ist Chef der Fiduka Depotverwaltung, nach eigenen Angaben einer der ältesten unabhängigen Vermögensverwaltungen in Deutschland. Gegründet hat Heller das Unternehmen zusammen mit Börsenlegende André Kostolany. 1970/1971 ging es los mit der Fiduka Depotverwaltung und seit 1974 gibt es die Kostolany-Börsenseminare. Zudem betreut Heller vier Fonds.
von: www.fundresearch.de