Der Neo-Fisher Effekt (Publikat. Prof. Uribe, Prof. Farmer)

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drhc
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Der Neo-Fisher Effekt (Publikat. Prof. Uribe, Prof. Farmer)

Beitrag von drhc »

Erläuterung in einfacher Sprache: tagesgedlvergleich.net
zitiert ...
Irving Fisher
An dieser Stelle kommt der US-amerikanische Ökonom Irving Fisher (1867-1947) ins Spiel. Schwerpunkt seiner Arbeit war die Geldtheorie. Er war es, der den nominalen und den realen Zins strikt voneinander trennte. Darauf beruht auch der nach ihm benannte Fisher-Effekt, wonach der nominale Zins und die Inflationsrate aneinandergekoppelt sind.
Realzins, Nominalzins, Inflationsrate

Um diesen Gedanken besser verstehen zu können, müssen zunächst die Begriffe geklärt werden, auf denen der Fisher-Effekt beruht. Die Formel lautet:
Realzins = Nominalzins – Inflation

Daraus lassen sich folgende Regeln ableiten:
Nominalzins = Realzins + Inflation
Inflation = Nominalzins + Realzins

An einem Beispiel verdeutlicht, heißt das: Aus einer Inflation von 2,0 Prozent und einem realen Zins – der tatsächlichen Rendite – von 1,00 Prozent ergibt sich ein Nominalzins von 3,0 Prozent. Im Alltag würde das vereinfacht bedeuten, dass für einen Kredit 3,00 Prozent Zinsen verlangt werden. Dieser Wert setzt sich aus dem Gewinn von 1,0 Prozent und der inflationsbedingten Teuerung von 2,0 Prozent zusammen. Schließlich möchte jemand, der Geld verleiht, dass der Kreditbetrag im Laufe der Zeit nicht an Kaufkraft verliert.

Fisher-Effekt und Fisher-Gleichung :!:
Nun muss man bei dieser Gleichung beachten, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem Realzins, den die Marktteilnehmer erwarten (Ex-ante-Realzins), und dem, der sich tatsächlich ergibt (Ex-post-Zinssatz). Gleiches gilt für die Inflationsrate. Auch hier stehen sich die erwartete und die tatsächlich auftretende Inflation gegenüber. Im Nominalzins kann daher immer nur die erwartete Inflation berücksichtigt werden. Daraus ergibt sich die Fisher-Gleichung:

Nominalzins = erwarteter Realzins + erwartete Inflation
Irving Fisher ging davon aus, dass sich bei einem gegebenen Ex-ante-Realzins der Nominalzins und die erwartete Inflationsrate parallel bewegen. Hohe (Nominal-)Zinsen führen in dem Sinne auch zu einer höheren Inflation. Oder anders ausgedrückt: Statt sich in die Nullzinsecke drängen zu lassen, sollten Notenbanken die Zinsen anheben, um ihr Inflationsziel von 2,0 Prozent zu erreichen.
Der Neo-Fisher-Effekt

Die Idee, vom Rückwärts- in den Vorwärtsgang zu schalten, keimt heute wieder auf und findet als Neo-Fisher-Effekt ein breites Echo, wobei sich Kritiker und Befürworter die Waage halten. Denn das ein einfaches Modell mit drei Variablen alle Probleme lösen soll, scheint doch eher unwahrscheinlich zu sein.

Zu denen, die sich sehr intensiv mit der Inflation und dem Nominalzins befasst haben, gehört Professor Martín Uribe, ein Wirtschaftswissenschaftler von der Columbia University. In mehreren Aufsätzen – unter anderem: Der Neo-Fisher-Effekt: Ökonometrische Evidenz aus empirischen und optimierenden Modellen – weist er das Zusammenspiel von Nominalzinsen und Inflation nach.

Dazu hat er über einen längeren Zeitraum die Zinssätze von 99 Staaten und 26 OECD-Ländern mit der Inflation verglichen. Das Ergebnis verblüfft: Zinsen und Inflation bewegten sich auf dem gleichen Level bzw. parallel zueinander. Daraus schlussfolgert Martín Urbite wie schon Irving Fisher, dass man die Inflationsrate heben kann, indem man höhere Zinsen am Markt etabliert.
Nominalzinsen und Inflation von 99 Staaten und 26 OECD-Ländern im Langfristvergleich durch Martin Uribe


etwas anspruchsvoller bei:
makronom.de "weshalb der Neo-Fisher-Effekt eine gefährliche Schimäre ist :!:

und wissenschaftlich exakt die Ausarbeitung von Prof. Uribe bei der:
columbia university
"The Neo-Fisher Effect: Econometric Evidence fromEmpirical and Optimizing Models
Martın Uribe Columbia University and NBER"

( ab Seite 36 = New Keynesian Model, Seite 41 = Robustness Checks: Optimizing Model, Seite 42 = Conclusion, ab Seite 43 = Appendix: Detailed Exposition of the Empirical Model )
Zuletzt geändert von drhc am 31.10.2019 15:45, insgesamt 2-mal geändert.
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Fondsfan
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Re: Der Neo-Fisher Effekt

Beitrag von Fondsfan »

Bei der Lektüre dieser Anmerkungen drängt sich die Frage auf,
was denn der Realzins sein soll?
Der Zinssatz für Bankkredite oder der für Festgelder bei Banken?
Und mit welcher Laufzeit?

Und in der aktuellen Situation wäre dann wohl die EZB im Rückwärtsgang und
die Fed im Vorwärtsgang, weil sie konkrt die Zinshöhe beeinflussen will, während
die EZB nur die Kreditvergabe durch Strafzinsen erzwingen will, ohne dabei die
Zinsen direkt vorzugeben.

Und wie holft uns diese Analyse?
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drhc
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Re: Der Neo-Fisher Effekt

Beitrag von drhc »

Fondsfan hat geschrieben:Bei der Lektüre dieser Anmerkungen drängt sich die Frage auf,
was denn der Realzins sein soll?
eine einfache Frage.
Man lese z. Bsp Universität Trier
Unter Bezgnahme auf das Buch Makroökonomie, Pearson Studium, von Prof. Olivier Blanchard, Professor für Volkswirtschaftslehre am Massachusetts Institute of Technology (MIT)
findet sich auf S. 6 bis 9 die Definition des Realzinses, gefolgt von den Taylor-Approximation I und II und III

von Interesse auch : Universität Bonn
... Der langfristige Realzins wird empirisch üblicherweise als Differenz zwischen Nominalzins und erwarteter Inflation gemessen.
Die empirische Messung realer Zinsen ist jedoch mit erheblichen Problemen verbunden, da Inflationserwartungen nicht beobachtet werden können. Alternative Maße der Realzinsentwicklung zeigen, dass das Niveau der langfristigen Realzinsen in den 90er Jahren in den betrachteten Ländern Deutschland, USA, Großbritannien und Frankreich nicht als historisch hoch bezeichnet werden kann...
von Prof. Dr. Jürgen von Hagen und Dr.Boris Hofmann

weiter wird ausgeführt in dem Gutachten für die Enquete-Kommission ’’Globalisierung der Weltwirtschaft’’ vom 21.Februar 2002 (!!!)
: ... Aus Sicht der traditionellen Wachstumstheorie ist ein über der langfristigen Wachstumsrate des BIP liegender langfristiger Realzins sogar wünschenswert, da damit dynamische Effizienz der Volkswirtschaft indiziert ist.
Ein Zustand, in dem der langfristige Realzins dauerhaft niedriger ist als die reale Wachstumsrate des BIP, wäre auf Dauer auch nicht möglich, da dadurch sowohl für den Privatsektor als auch für den Staat ein enormer Anreiz entstehen würde, sich zu verschulden. Das Ergebnis wäre eine Überschussnachfrage nach Krediten und ein Anstieg des langfristigen Realzinses auf ein Niveau oberhalb der langfristigen Wachstumsrate des BIP. Die Beobachtung eines über der Trendwachstumsrate des BIP liegenden langfristigen Realzinsniveaus ist somit keine Anlass zur Besorgnis, sondern garantiert vielmehr makroökonomische Stabilität. Wirtschaftspolitischer Handlungsbedarf ist daher nicht gegeben. ...
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lloyd bankfein
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Beitrag von lloyd bankfein »

Ein Zustand, in dem der langfristige Realzins dauerhaft niedriger ist als die reale Wachstumsrate des BIP, wäre auf Dauer auch nicht möglich, da dadurch sowohl für den Privatsektor als auch für den Staat ein enormer Anreiz entstehen würde, sich zu verschulden. Das Ergebnis wäre eine Überschussnachfrage nach Krediten und ein Anstieg des langfristigen Realzinses auf ein Niveau oberhalb der langfristigen Wachstumsrate des BIP

den Zustand haben wir aber jetzt? schon seit jahren? was 2002 nicht für möglich gehalten wurde? galt/gilt aber vwl-mässig als ungesund (2002 und 2019)?
richtig verstanden?
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Fondsfan
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Re: Der Neo-Fisher Effekt

Beitrag von Fondsfan »

@ lb

Der theoretische Anreiz zur Verschuldung ist zumindest für den
deutschen Staat schon lange da, weil er eine Vergütung für seine
Schulden bekommt.

M.E. ist auch der gegenwärtige Immobilienboom nur durch die Entwicklung der
Zinsen zu erklären, denn der Anreiz zur Verschuldung ist doch in diesem Sektor
extrem.
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drhc
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Beitrag von drhc »

Meine Erläuterung vom 20.09.2019 - siehe oben - :
wissenschaftlich exakt die Ausarbeitung von Prof. Uribe bei der:
columbia university
"The Neo-Fisher Effect: Econometric Evidence fromEmpirical and Optimizing Models
Martın Uribe Columbia University and NBER"

( ab Seite 36 = New Keynesian Model, Seite 41 = Robustness Checks: Optimizing Model, Seite 42 = Conclusion, ab Seite 43 = Appendix: Detailed Exposition of the Empirical Model ) ...

Aktuell, eine Publikation mit Titel "Das bankrotte Narrativ der Zentralbanken" 10/2019 vom Autor: Prof. Roger E.A. Farmer
Professor für Ökonomie an der Universität von Warwick, emeritierter Professor für Ökonomie an der UCLA, Forschungsdirektor am National Institute of Economic Research
Zitat : " ... Seit über einem Jahrzehnt rufe ich bereits zu einer Neueinschätzung der „alten keynesianischen Ökonomie“ auf. 2006 habe ich dazu einen Artikel veröffentlicht – zwei Jahre, bevor es durch die Große Rezession wieder modern wurde, unseren Umgang mit der makroökonomischen Theorie zu hinterfragen...
inflationsneutrale Arbeitslosenquote (NAIRU, non-accelerating inflation rate of unemployment) – bei der das Tempo des Preiswachstums weder steigt noch fällt.
Obwohl die Neuen Keynesianer akzeptieren, dass sich die NAIRU mit der Zeit verändern kann, können sie nicht vorhersagen, wie sie sich verhält. Statt dessen führen Zentralbanker interne Berechnungen der NAIRU durch, und diese fließen dann in die Entscheidungen über die Zinspolitik ein. Liegt die Arbeitslosenquote unterhalb der aktuellen NAIRU-Schätzung, und es tritt immer noch keine Inflation ein, schließen sie daraus einfach, dass die NAIRU zurückgegangen sein müsse. Dies ist keine Wissenschaft, sondern Religion.
In meinem Buch Prosperity for All biete ich eine Alternative zu dieser neuzeitlichen Version der Kaffeesatzleserei. Meine Theorie erkennt, dass eine nicht steigende Inflationsrate mit jeder Arbeitslosenquote vereinbar ist. Dieser Gedanke wurde ursprünglich bereits von John Maynard Keynes selbst in seiner Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, der Zinsen und des Geldes geäußert, und seit Jahrzehnten wird er von postkeynesianischen Ökonomen immer wieder betont. In meinen Untersuchungen konnte ich zeigen, dass die postkeynesianische Ansicht mit der konventionellen mikroökonomischen Theorie in Einklang gebracht werden kann, wenn man eine „neue“ Theorie der Arbeitsmarktsuche verwendet.
Das theoretische Standardnarrativ beruht ausschließlich ( :!: ) auf der Phillips-Kurve, die eine feste umgekehrte Beziehung zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit postuliert.[/b] Dies ist das Narrativ, das bestimmt, welche Forschungsergebnisse es in die wichtigsten ökonomischen Fachzeitschriften schaffen und welche Diskussionen bei den Zentralbanktreffen in aller Welt geführt werden. Und es ist dieses Narrativ, das beeinflusst, wie alle Beteiligten – von den Journalisten über die Akademiker bis hin zur allgemeinen Öffentlichkeit – die geldpolitischen Entscheidungen interpretieren. Aber es ist ein irreführendes Narrativ, das wir, wenn wir unseren Umgang mit den modernen Marktwirtschaften verbessern wollen, hinter uns lassen müssen.
Zu diesem Zweck reicht es nicht aus, die Phillips-Kurve zu kritisieren. Ist die Theorie falsch, muss sie durch eine bessere ersetzt werden, und dazu können wir nicht zum Keynesianismus der 1950er zurückkehren – wie es die heutigen Kritiker der neoklassischen makroökonomischen Theorie vorzuschlagen scheinen. Laut Summers und Stansbury muss die Regierung „die Nachfrage durch Haushaltspolitik und andere Mittel” fördern (Betonung durch mich). Ich stimme zwar zu, dass die Geldpolitik im Fall einer neuen Rezession in Europa oder den USA machtlos ist, aber ich bin nicht davon überzeugt, dass Staatsausgaben die richtige Antwort darauf sind. Meine eigenen Forschungen liefern empirische Belege dafür, das Rezessionen durch Crashs der Kapitalmärkte verursacht werden. So gesehen ist es besser, die Wertpapierpreise zu stabilisieren, als Brücken ins Nirgendwo zu bauen.
..."
quellen-vermerk: fundres.

Die Phillips-Kurve erläutert bei Trader - Inside 2017 ... Neue wissenschaftliche Erkenntnisse
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