Etwas ist erheblich faul im Silbermarkt, Teil 1
Freitag, 17. Dezember 2010 02:23
von Lars Schall
In den vergangenen Tagen sind wir auf eine Reihe aufschlussreicher Analysen gestoßen, deren Ergebnisse wir Ihnen nicht vorenthalten wollen. Es geht hierbei um die Faktoren, die den Silberpreis bislang massiv unter Druck setzten. Das kann - und wird - sich ändern. Dieser Meinung ist auch Silberfachmann Thorsten Schulte, mit dem ich mich über sein gerade erschienenes Buch „Silber – Das bessere Gold“ unterhielt.
Vergangenen Freitag, dem 10. Dezember 2010, veröffentlichte der kanadische Finanzanalyst Rob Kirby (siehe:
http://www.kirbyanalytics.com/) auf der Website Silver Seek unter diesem Link:
http://news.silverseek.com/SilverSeek/1292004828.php
eine Analyse, die er “Something’s Wrong in the Silver Pit: But It’s Much Bigger than J.P. Morgan“ betitelte. Wie bekannt, weist JPMorgan Chase gegenüber dem steigenden Silberpreis eine eklatante Short-Position auf, die in Anbetracht steigender Preisen zu herben Einbußen führen dürfte. Indem er auf Daten zurückgreift, die sich im Semiannual OTC Derivatives Report der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) vom Juni 2010 finden lassen, und sie mit Daten vergleicht, die im Quarterly Report on Bank Derivatives Activities des U.S. Office of the Comptroller of the Currency vom Juni 2010 stehen, erbringt Kirby ein recht erstaunliches Gesamtbild des Silberpreis-Managements.
Zunächst grob gefasst: Was ist der OTC-Markt?
Das Akronym OTC steht für “Over The Counter” (übersetzt: „über dem Tresen”), und bezeichnet den Finanzhandel zwischen Teilnehmern, der nicht innerhalb des Verantwortungsbereichs der Börse vonstatten geht, sondern vielmehr einen Freiverkehrsmarkt im Interbankenhandel darstellt. Die Zugangsbarrieren für private Anleger sind sehr hoch.
Eine weitere Eigenschaft bei OTC-Geschäften ist eine extrem geringe Transparenz, weswegen diese Art des Geschäfts bevorzugt wird, wenn die Teilnehmer unerkannt bleiben möchten (beispielsweise gegenüber den Aufsichtsbehörden). Im wesentlichen Maße sind die beteiligten Akteure so genannte “Dark Pools“ (bzw. “Dark Pools of liquidity“), was letztlich versteckte Handelsplattformen sind, die anonyme Transaktionen großer Wertpapier-Pakete unter „dem Deckmantel der Dunkelheit“ erlauben, die häufig via High-Frequency-Trading-Computer-Programmen abgewickelt werden. Alles in allem darf man das mit Fug und Recht eine besondere Art des Insider-Handels nennen.
Die Vorteile dieser zuerst Anfang der 1990er Jahren in den USA entstandenen Einrichtungen, die in den letzten Jahren enorm zugenommen haben: „,Dark Pools' gewährleisten dem Marktteilnehmer nicht nur vollständige Anonymität - ein weiterer Vorteil liegt darin, dass keine Preisbewegungen verursacht werden.' Eine Order wird erst dann ausgeführt, sobald ein Käufer die gleiche Zahl an Aktien zum gleichen Preis durch eine anonyme Kauforder sucht.
Die Nutzung der 'Dark Pools' erfolgt im Wesentlichen auf zwei Arten. Beispiel eins: Eine Order soll versteckt werden, schlicht, um durch ihr Auftauchen Unruhe im Markt zu vermeiden. Oder der Anleger möchte eine besonders große Order veräußern. In einem 'Dark Pool' kann er damit rechnen, dass diese gefunden wird. Beispiel zwei: Der Investor kann große Wertpapierpakete in viele kleine stückeln, die dann von elektronischen Handelssystemen aufgespürt werden.“i
OTC-Geschäfte gibt es auch für den Gold- und Silbermarkt, gesplittet in “Forwards/Swaps“ und “Optionen“. Anhand einer BIZ-Tabelle über die Menge der im Juni 2010 ausstehenden OTC-Derivatkontrakte, die sich hier:
http://www.bis.org/statistics/otcder/dt21c22a.pdf
nachschauen lässt, ergibt sich beispielsweise für Gold folgendes Zahlenbild:
- OTC-Kontrakte insgesamt: 417 Milliarden, davon Forwards/Swaps: 224, und Optionen: 193.
In der Kategorie „Andere Edelmetalle“ ergibt sich für den Juni dieses Verhältnis:
- OTC-Kontrakte insgesamt: 127 Milliarden, davon Forwards/Swaps: 81, und Optionen: 46.
Den Löwen-Anteil dieser „anderen Edelmetalle“, so schreibt Rob Kirby, stellt Silber.
Woraufhin er sich fragt: „Es gibt insgesamt 417 Milliarden ausstehende Gold-Derivate – und die Gold-Silber-Preis-Ratio ist 49:1.
WARUM sind dann die ausstehenden Silber-Derivate 127 Milliarden?
Diese BIZ-Zahlen legen nahe, dass eine saubere Gold-Silber-Ratio ungefähr 3.3:1 sein müsste oder aber Silber zum Preis von HEUTE bei 1,400 / 3.3 = 424.00 pro Unze.“
Als nächstes nimmt Kirby eine Auflistung vom U.S. Office of the Comptroller of the Currency ins Visier, die unter diesem Link:
http://www.occ.gov/topics/capital-marke ... /dq210.pdf
Seltsames zu den „anderen Edelmetallen“ verrät, die von US-amerikanischen Geschäftsbanken gehalten werden.
Denn der Betrag aller Derivate für die „anderen Edelmetalle“ figuriert dort lediglich bei 13.577 Milliarden – sprich ungefähr nur 1/10 der vorherigen Gesamtsumme von 127 Milliarden.
Diese 10% schreibt Kirby JPMorgan Chase und HSBC zu.
Frage Kirby: „WAS IST MIT DEN ANDEREN 90%?“
Indem er die gesamten Gold-Derivate der OCC-Tabelle hinzu nimmt (131,560 Milliarden) und sowohl die Gold- und „anderen Edelmetall“-Derivate aufrundet, kommt Kirby zu dieser Gold-Silber-Ratio:
131.6 / 13.6 = 9.7
Auf diesem Wege gelangt er zu einem Silberpreis
von 1,400 / 9.7 = 144.00 pro Unze..
Jeweils zum Vergleich:
Zwar erreichte der Silberpreis am Dienstag in der letzten Woche ein 30-Jahreshoch, allerdings lag dieses mit $30.50 pro Unze weit hinter den obigen Zahlen.
Daraufhin wirft Kirby einen Blick auf ALLE Derivate, die sich im Besitz von US-amerikanischen Geschäftsbanken befinden. Diese OCC-Tabelle kann ebenfalls unter dem zuletzt angegeben Link eingesehen werden.
Resultat der Betrachtung ist, dass die ersten 5 Banken in Millionen US-Dollar gerechnet folgende Derivat-Werte halten:
JPMorgan Chase Bank NA:
75,253, 921
Bank of America NA:
48,520,359
Citibank National ASSN:
45,990,989
Goldman Sachs Bank USA:
42,087,307
HSBC Bank USA National ASSN:
3,682,856
An Position 19 folgt dann:
Morgan Stanley Bank NA:
43,519
Die Gesamtsumme aller Derivate: 223,376 Billionen USD.
Sodann nimmt Kirby eine OCC-Tabelle ALLER Derivate, die von US-Bank Holoding Companies gehalten werden.
Das sich ergebende Bild in Millionen US-Dollar gerechnet ergibt, dass die Werte von
Bank of America um 23 Billionen, die von
Morgan Stanley um 4 Billionen und die von
Goldman Sachs um 6 Billionen
anwachsen.
Insgesamt haben die Bank Holding Companies 294,750 Billionen US-Dollar an Derivaten in den Büchern stehen.
Aus alledem zieht Kirby nunmehr diese Schlussfolgerung:
- Die BIZ sagt uns, dass die insgesamt weltweit ausstehenden Derivate für „andere Edelmetalle" 127 Milliarden betragen.
- Die allgemeine Markt-Weisheit [durch das von OCC gewonnene Datenmaterial] lassen vermuten, dass JP Morgan und HSBC die beiden dominierenden Akteure im Silber-Markt [andere Edelmetalle] sind.
- Dennoch besagen die Daten der US-OCC, dass JP Morgan und HSBC zusammen 13,577 Milliarden der 127 Milliarden auf der BIZ-Tabelle [rund 10%] ausmachen.
- Die US-OCC-Daten besagen, dass Morgan Stanley und die BofA sowie Goldman zusammen zusätzliche 70 Billionen in Derivaten halten – und zwar auf der Bank Holding Company-Ebene - aber sie geben keinerlei Hinweis, welcher Anteil dieser Summen aus Edelmetall-Tätigkeiten bestehen.
Wir müssen davon ausgehen, dass dies der Fall ist, weil die OCC nur beauftragt ist, Geschäftsbanken zu regulieren, wohingegen Bank Holding Companies in den Zuständigkeitsbereich der Federal Reserve fallen.
- Sofern JP Morgan und HSBC die Aufsichtsbehörden nicht über den Umfang ihrer Silber-Tätigkeiten ANLÜGEN, muss es auch noch andere RIESIGE Akteure im Silberpreis-Unterdrückungs-Spiel geben.
Wer immer diese „Akteure" sind – metaphorisch gesprochen, so Kirby, „müssen sie aus jeder Öffnung bluten“, in Anbetracht des parabolischen Preisanstiegs während der letzten Monate.
- Unter den US-amerikanischen Unternehmen dürften sich wahrscheinlich Morgan Stanley, BofA und Goldman Sachs befinden – die gemeinsam eine 70 Billionen- Derivat-"BLACK BOX" unterhalten, von der wir wenig bis gar nichts wissen, was sie an Edelmetallen enthält.
- Egal, wie man es dreht und wendet – die Edelmetall-Daten, die von den amerikanischen Regulierungsbehörden berichtet werden, sind laut Kirby „grauenhaft“.
Einfache Mathematik besagt, dass ein Gold / Silber-Verhältnis bei 48:1 EXTREM gekünstelt ist und nach Manipulation seitens der Federal Reserve und derjenigen Banken riecht, die sie zu regulieren hat.
Warum ist das Geschilderte wichtig?
Zum einem aus diesem Grunde:
„Derivate können dazu genutzt werden, Märkte zu manipulieren - ebenso die Preise von Edelmetallen.
Die Öffentlichkeit bekommt davon nichts mit.
Einige Analysten sind überzeugt, dass der Derivatehandel eines der Hauptwerkzeuge der US-Regierung sowie ihrer Handelspartner und Verbündeten bei der Drückung der Gold- und Silberpreise ist.
Im Mittelpunkt dieser Diskussion steht JP Morgan, die 40% der COMEX-Silberkontrakte kontrollieren. Der starke Preisanstieg beim Silber könnte die eine oder andere Partei in die Insolvenz treiben, wodurch sie ihren Verpflichtungen gegenüber JPM nicht mehr nachkämen und so eine Kettenreaktion auslösen könnten.“ii
Zum Anderen ist es deshalb wichtig, weil die semi-private Einrichtung der Federal Reserve, die anteilig von solchen Banken wie JPM, Goldman und BofA gebildet wird, natürlich ähnlich wie beim Gold erpicht ist, dass der Silberpreis möglichst niedrig erscheint. Ist das der Fall, zeigt die „Edelmetall-Wetterfahne“ für den US-Dollar eine stabile bis günstige Wetterlage an.
Ganz in diesem Sinne argumentierte kürzlich der Initiator der „Crash JP Morgan, kauf Silber“-Kampagne, Max Keiser, in einem Beitrag für den englischen “Guardian“, das heißt, dass JPM als Agent der Federal Reserve agiert: indem die Bank den Silberpreis unten hält, erkauft sie Vertrauen in den US-Dollar.iii
Scott Rubin berichtete unlängst für “The San Francisco Chronicle“:
„Mit dem Verkauf großer Mengen von Papier-Silber im Futures-Markt war JPM in der Lage, den Preis für das Edelmetall zu unterdrücken.
Es wird angenommen, dass diese Short-Positionen nackt sind (d.h. sie sind nicht durch physisches Silber abgedeckt). In der Tat zeigen Berichte, dass JPMs Shortposition aus mehr Papier besteht, als Silber physisch auf der Welt existiert. "iv
Nun haben wir zwar, wie Rob Kirby vorführte, Grund zur Annahme, dass JPM beileibe nicht die einzige Finanzinstitution ist, die sich im Silbermarkt, sagen wir einmal, „eigensinnig“ verhält;
gleichwohl ist dieser Fall arg interessant.
Durch die besagte Kampagne von Max Keiser, die wir auf chaostheorien.de eingehend beleuchteten,v kann sich das Engagement von JPM schnell zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung entwickeln.
Erstens wird JPM einen satten Geldbetrag verlieren, sollte der Silberpreis höher klettern.
Zweitens befolgen Menschen auf aller Welt den „politischen Ratschlag“ von Max Keiser: sie kaufen physisches Silber, nehmen es vom (ohnehin nicht reichlich ausgestatteten) Markt und lassen so den Preis weiter nach oben gehen.
Drittens steigen große Hedge-Fonds in den Ring, um von JPMs Shortposition zu profitieren.
Und
viertens, wenn die Anleger, einerlei ob groß oder klein, anhand steigender Silberpreise zunehmend Vertrauen in den US-Dollar verlieren, dürften sie verstärkt Silber kaufen.
Aufgund der Shortposition verliert JPM noch mehr Geld, noch mehr Vertrauen geht verloren, noch mehr Silber wird gekauft.
geht noch weiter ....