Die Angst treibt den Goldpreis - noch
Der Goldpreis steigt und steigt. Doch manchen Experten wird die Goldgräberstimmung unheimlich. Die Profis halten Gold mittlerweile für zu riskant - und steigen wieder aus.
Im Neusser Einkaufszentrum, wo früher ein Jeansladen war, macht ein Goldladen auf. In Metzingen, der schwäbischen Kleinstadt mit den vielen Fabrikverkäufen, gibt es kleine Goldbarren im Automaten. Im Frankfurter Umland fährt ein zum „Goldmobil“ umgebauter VW-Bus über die Dörfer und sammelt bei den Leuten altes Gold ein. Drei Beispiele, ein Phänomen: Mit Gold lassen sich wieder gute Geschäfte machen – und alle wollen mitverdienen.
Seit der Finanzkrise befindet sich der Goldmarkt im Ausnahmezustand. Gold ist gefragt wie nie. Der Preis für das Edelmetall ist in ungeahnte Höhen gestiegen. Auf dem Weltmarkt kostet eine Feinunze gut 1425 Dollar.
Die Sparer kaufen Gold, weil sie Angst haben, dass ihr Geld entwertet wird. Schuld daran sind die Banken, die mit ihren waghalsigen Deals die Krise erst ausgelöst haben. Schuld daran sind die Notenbanken, die unendlich viel billiges Geld auf den Markt geworfen haben, um die Finanzmärkte zu stützen. Schuld daran sind die Regierungen, die Schuldenberge auftürmen, um teure Konjunkturpakete zu bezahlen.
Die Schulden werden unweigerlich zu horrender Inflation führen, fürchten viele Sparer. Nur Gold gilt ihnen noch als wertbeständig, weil man damit schon seit 5000 Jahren bezahlen kann. Gold hat alle Krisen überdauert.
Doch bietet das Edelmetall wirklich den Schutz, den sich ängstliche Anleger erhoffen? So sehr sie sich Sicherheit wünschen, so wenig achten sie auf die Risiken.
Sie übersehen, dass das Metall ein hochspekulativer Rohstoff ist. Schon in den 70er-Jahren folgte einer Hausse eine langanhaltende Baisse.
„Gold bietet gar nicht die Sicherheit, die die Leute erwarten. Der Goldpreis war immer starken Schwankungen unterworfen“, sagt Markus Stahl, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Steinhart & Stahl aus Stuttgart. Er gehörte selbst einst zu den Goldkäufern, aber das war vor zehn Jahren, als eine Feinunze um die 400 Dollar kostete. Misstrauisch macht ihn, dass die breite Masse das Thema entdeckt hat.
„Heute wird über Gold in jeder Provinzzeitung berichtet. Wenn das nicht alle Züge eines Hypes trägt, dann weiß ich es auch nicht“, sagt Stahl.
War es früher vor allem die Schmuckindustrie, die für die Nachfrage sorgte, sind heute immer mehr Investoren scharf auf Gold. Die Nachfrage der Juweliere machte vor zehn Jahren rund 3000 Tonnen im Jahr aus, heute sind es nur noch 2000 Tonnen. Die Nachfrage der Investoren stieg in den letzten zehn Jahren von rund 350 Tonnen auf 1300 Tonnen. Das hat den Preis getrieben, heißt auf der anderen Seite aber: Je mehr Investoren im Goldmarkt mitmischen, desto anfälliger ist der Markt für Schwankungen.
Dass Gold überhaupt so populär werden konnte, liegt daran, dass es noch nie so leicht war, in Gold zu investieren.
Dabei haben die meisten Anleger noch niemals eine Münze oder einen Barren in der Hand gehabt. Vor fünf Jahren legten Banken die ersten Goldfonds auf, die in das Metall investieren und die Barren im Tresor hinterlegen. Der Anleger erhält dafür ein Wertpapier. Noch abenteuerlicher sind Zertifikate, die den Goldpreis abbilden, ohne durch echtes Gold abgesichert zu sein. Beinahe täglich basteln die Banken neue Produkte, mit denen Anleger in Rohstoffe wie Gold investieren können. In der Regel richten sich solche Produkte an Privatanleger.
Die Anleger und Analysten gehen selbstverständlich von weiter steigenden Preisen aus. Doch die Goldgräberstimmung ist verdächtig. Wenn es so viele Optimisten gibt, die sich mit Gold eingedeckt haben, stellt sich die Frage: Wer soll dann noch kaufen?
„Gekauft wird Gold im Moment von Privatanlegern, die Angst vor einer Schuldenkrise oder Inflation haben. Die Profis, die vor Jahren günstig gekauft haben, steigen längst wieder aus“, sagt Stahl.
Für viele Profis spielt Gold ohnehin nur eine untergeordnete bis gar keine Rolle. Fragt man bei denjenigen nach, die das Geld der Reichen verwalten, lautet die Einschätzung meist: zu unberechenbar. „Der Goldpreis ist sehr schwankungsanfällig.
Es gibt keinen unabhängigen Maßstab, an dem sich ablesen lässt, ob Gold teuer oder günstig bewertet ist“, sagt Emmerich Müller, Partner beim Bankhaus Metzler und zuständig für das Private Banking. Es sei kaum möglich, einen fairen Wert für Gold zu ermitteln. „Wir setzen Gold in der Vermögensverwaltung nicht aktiv ein“, erklärt Müller.
Das ist übrigens der Tenor, der nahezu überall dort zu hören ist, wo die reiche Kundschaft ihr Geld anlegt. „Unser Portfoliomanagement hat zuletzt seine Bestände verkauft, wir empfehlen Gold auf dem aktuellen Niveau nicht mehr“, sagt Burkhard Allgeier, Chefvolkswirt bei der Privatbank Hauck & Aufhäuser. Im vergangenen Jahr, als noch unklar gewesen sei, ob die Weltwirtschaft so schnell aus ihrer tiefen Krise herauskommen werde, da hätten manche Kunden Bestände aufgebaut. Das sei vorbei. Jetzt behält man das Gold, weiß aber, dass es im Moment bei Aktien und Anleihen bessere Alternativen gibt.
Über den Goldrausch der breiten Masse schütteln die Berater der besonders Vermögenden nur den Kopf. „Der Hype in der Öffentlichkeit um Gold ist eine zu verbreitete und spätzyklische Erscheinung. Für uns ist er im Moment eher ein Kontraindikator“, sagt Burkhard Allgeier von Hauck & Aufhäuser. Wenn also alle kaufen, dann sollte das eher ein Indiz sein, dass es bald in die andere Richtung gehen kann.
Ihn erinnert die aktuelle Situation an die Endphase des Neuen Markts, als jeder Taxifahrer über Aktien schwadronierte.
Noch ist ein Ende der Goldrally nicht in Sicht. Einige Bundesstaaten der USA wollen Gold sogar wieder als gesetzliches Zahlungsmittel zulassen – ein klares Misstrauensvotum gegen die US-Notenbank. Eine Rückkehr zum Goldstandard, also einer durch Gold gedeckten Währung, sehen Experten darin aber nicht. Wenn die Fed den Ausstieg aus ihrer „unkonventionellen Geldpolitik“ ohne einen allzu starken Anstieg der Inflationsraten bewerkstellige, dann werde sich auch das Interesse am Gold oder wieder legen, kommentiert Bernd Weidensteiner von der Commerzbank. Zumal das verfügbare Gold gar nicht ausreiche. Der Analyst rechnet vor: Der Umlauf von Banknoten in den USA beläuft sich zurzeit auf rund 1000 Milliarden Dollar. Eine vollständige Unterlegung dieser Summe würde etwa 22100 Tonnen an Gold erfordern. Die offiziellen US-Goldreserven belaufen sich allerdings nur auf 8133 Tonnen. Der Goldpreis müsste sich also verdreifachen, wenn der Dollar komplett unterlegt werden soll.
Gold ist stark, solange Dollar und Euro schwach sind. Aber das muss nicht so bleiben. Die Europäische Zentralbank hat klargemacht, dass sie Europas Währung nicht weiter verfallen lassen will. Sie denkt bereits über ein Ende der lockeren Geldpolitik nach. Die Zinserhöhung dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen. Es sei schon ein außerordentliches Ereignis nötig, um die EZB davon abzubringen, meint Robin Bhar, Analyst von Credit Agricole. Und auch in den USA sei eine straffere Geldpolitik wahrscheinlich. „Diese Faktoren sind nachteilig für nicht verzinsliche Anlagen wie Gold“, sagt Bhar. Auch wenn das ein zaghafter Anfang sein wird – er könnte eine Trendwende auslösen.
Quelle
Kommentar:Die im Artikel zitierten "Vermögensverwalter" werden sich noch wundern. Eine lächerliche Ansammlung von Schein-Argumenten.
Ein Beispiel:
"Es gibt keinen unabhängigen Maßstab, an dem sich ablesen lässt, ob Gold teuer oder günstig bewertet ist."
Soll das ein Witz sein?
In Relation zu Aktien: Dow-Gold-Ratio
In Relation zu Immobilien: qmPreis-Gold-Ratio