Börsen-Hausse - Wer den Kursaufschwung an den Börsen antreibt
Mark Böschen (Frankfurt)
14.10.2009 Eine rasante Rally katapultiert den Dax auf das Niveau, das er vor dem Crash von Lehman Brothers hatte. Doch wer treibt den Aktienmarkt - und wann werden die Krisengewinner verkaufen?
Eine Spurensuche.
Ein Rettungsring vor der Bankenskyline in Frankfurt am Main AP Von seinem Büro im 22. Stock des Frankfurter Westhafen-Towers aus hat Andreas Sauer einen der schönsten Ausblicke auf die Finanzmetropole. Apfelweinglas nennen die Frankfurter das Haus am Mainufer, wegen des Rautenmusters der Glasfassade.
Sauers Fonds Quoniam ist eines der Schleusentore, durch die das Geld an die Finanzmärkte strömt. 60 Mitarbeiter lenken von zwei Büroetagen aus zehn Milliarden Euro Kundengelder in den Aktien- oder den Anleihemarkt. Wohin, das bestimmt ein Computerprogramm.
Doch Sauers Rechner wurde von der Rally überrascht, so wie große Teile der Frankfurter Finanzgemeinde. Viele Investoren sind außen vor – und rätseln bei Apfelwein oder Beck’s darüber, wer hinter den unheimlichen Kursgewinnen steckt.
Wer hat die Kurse getrieben?
„Die Versicherer waren es nicht, die Pensionsfonds nicht, auch nicht die Privatanleger,“ sagt Sauer. Er hat viele gefragt, wer zuletzt die Kurse getrieben hat. Sie, die wie alle Börsianer gern über Gewinne reden, wollen es nicht gewesen sein. „Irgendwer aber hat Milliarden verdient“, sagt Sauer. Wer? Börsengeschäfte laufen anonym.
In manchen Banktürmen steigt jetzt der Druck. „Mein Vorstand fragt mich, ob die Hedgefonds die Kurse in die Höhe treiben“, berichtet der Anlagestrategie-Chef einer großen deutschen Bank. Waren es Ausländer, sitzen die Gewinner wieder mal an der Wall Street? Die Fragen verraten die Wut des Zuspätgekommenen: „Die verdienen, während wir zögern, zuschauen, verkauft haben.“
Doch es geht nicht nur um Gefühle, sondern um die Frage, was jetzt an der Börse passieren wird: Wer die Aktienkäufer seit März identifiziert, kann besser einschätzen, wann diese Kasse machen werden. Langfrist-Investoren dürften später, Spekulanten früher verkaufen – womöglich bis auf das Niveau vom März, als der Dax erst bei 3666 Punkten drehte. Wer sich in Frankfurt und London umhört, stößt auf Manager, die ein böses Ende der Rally fürchten — mit gutem Grund.
Dekabank - Die Strategen
Die Spurensuche führt zu den größten deutschen Aktieninvestoren. Sie residieren nur 20 Minuten zu Fuß von Sauers Hedgefondsdomizil am Mainufer entfernt. An der ewig langen Mainzer Landstraße liegen die Zentralen der Deutsche-Bank-Tochter DWS, der Allianz-Fondstochter Global Investors und der Turm der Dekabank.
Die Fondsgesellschaft gehört den deutschen Sparkassen, die zusammen die größte Geldsammelmaschine des Landes bilden. Sechs Investmentstrategen haben sich an diesem Herbstmorgen im Konferenzraum ganz oben im 44. Stock des Deka-Turms versammelt. Ihr Job: Großanleger betreuen und den Beratern in über 13.000 Sparkassen Orientierung geben. ist es einfach, beliebig viel Liquidität für den Aufkauf zur Verfügung zu stellen.
Anteil in Aktien in Mischfonds für Profi-Anleger (zur Vollansicht bitte auf die Grafik klicken) Doch bei der Frage des Tages tappen die Strategen selbst im Dunkeln: Wer war’s? „Ich kann sagen, wer es nicht war: die deutschen institutionellen Investoren“, sagt Dirk Gojny von der HSH Nordbank. Die Versicherer hielten laut Finanzaufsicht BaFin Ende März weniger als ein Prozent ihres Kapitals in Aktien. „Die Versicherer haben ihren Aktienbestand danach eher noch weiter abgebaut“, sagt Volker Sack von der Nord/LB.
Und Privatanleger haben sowieso weniger als zehn Prozent ihres Finanzvermögens in Aktien investiert, fügt er hinzu. Und tat selbst wenig dazu, das zu ändern: Im März, als der Dax bei 3692 Punkten stand, sagte die Nord/LB für September gerade einmal 3800 Zähler voraus. Die HSH Nordbank prognostizierte 3700, ein Plus von acht Punkten. Doch nun steht der Dax 2000 Punkte höher.
„Damals herrschte Weltuntergangsstimmung“, sagt Jürgen Pfister von der BayernLB. „Wir hatten nicht den Mut, einen so starken Anstieg vorherzusagen.“ Die Strafe für die Mutlosigkeit: Nicht die Deutschen hat der Dax-Anstieg reich gemacht. Die meisten, die bei 3600 Punkten drin waren, waren es auch schon bei 8000 Punkten. „Smart money“ sieht anders aus. Aber wie?
Vielleicht ist es grün, und es steht „In God we trust“ darauf. „Amerikaner haben sich sehr stark engagiert am Aktienmarkt“, sagt Nord/LB-Stratege Sack.
New York, Blackrock Inc. - Der Fondsmanager
Philip Green ist Amerikaner, Investmentmanager beim größten US-Fondsanbieter Blackrock. Vom New Yorker World Financial Center aus verwaltet er unter anderem einen Fonds, der je nach Marktlage in Aktien oder Anleihen investiert. Einziges Ziel: Er soll besser abschneiden als ein Musterportfolio, das zu 60 Prozent aus Aktien und zu 40 Prozent aus Anleihen besteht. Das wird schwer: Noch Ende Juni, als die Rally bereits drei Monate lang lief, hatte er nur 42 Prozent Aktien.
Green ist nicht allein. Zwei Drittel der Fondsmanager aus aller Welt, die die Investmentbank Merrill Lynch jeden Monat befragt, stehen schlecht da. Nur jeder dritte Fondsmanager hat Aktien übergewichtet. Im Juli war es sogar erst jeder Vierzehnte. Der Club der verpassten Chancen hat viele Mitglieder.
Doch wer hat denn nun das schnelle Geld gemacht?
Antwort: das schnelle Geld selbst. Geld, das aus Hedgefonds und Handelsräumen der Investmentbanken fließt.
UBS - Der Investmentbanker
„Es ist fast unbegrenzt Liquidität vorhanden“, sagt Stefan Winter, Chef der UBS-Investmentbank in Deutschland. Und er sieht nicht so aus, als ob ihn dies stört. Eine Folge der Finanzkrise: Zentralbanken haben die Zinsen in vielen Ländern fast auf null gesenkt, noch dazu kaufen sie am Kreditmarkt Schrottpapiere auf. Rettungsgeld, das die Verursacher der Krise nun allzu bereitwillig mehren. „Aktien stehen im Vordergrund, weil andere Märkte kaum noch attraktive Renditen bieten“, sagt Winter.
Warum kommt so viel Nachfrage nach Aktien aus den USA? „Hedgefonds waren überproportional an der Rally beteiligt“, sagt Winter. Die meisten sitzen nun mal in den USA. Und die Banken selbst, ihre Eigenhändler, die auf Rechnung der Bank investieren, spekulieren?
London, Canary Wharf - Der Bankenhändler„
Wir schwimmen in Kapital“, sagt der Eigenhändler einer Investmentbank in London. Dank der Niedrigzins-Politik kann sich seine Bank viel Geld zu geringen Kosten besorgen. Billiges Geld, damit die Banken wieder Kredite vergeben – so dachten es sich die Zentralbanker. Aber besser gestellte Firmenkunden müssen selbst Schulden abbauen und wollen keine Kredite. Und wer welche braucht, ist oft ein riskanter Schuldner, dem die Bank kein weiteres Geld geben will, und wenn sie es sich noch so günstig besorgen kann.
Deshalb geht viel Kapital an den Eigenhandel. „Wir können damit etwas verdienen“, sagt der Londoner Händler. Damit die Bank das Kapital schnell zurückholen kann, wenn sie es braucht, dürfen die Eigenhändler nur in liquide Anlagen investieren. Zum Beispiel Aktien. Schnell rein, schnell raus – so läuft das Spiel.
Frankfurt, Westend - Der Ex-Banker
Genau so ist es, sagt Daniel Pfändler, ehemals leitender Marktstratege bei der Investmentbank Dresdner Kleinwort. An deren Hauptquartier, schräg gegenüber von den Frankfurter Messehallen, hängt jetzt das gelbe Commerzbank-Logo. Pfändler arbeitet dort nicht mehr, er hat das unabhängige Analysehaus Research Ahead gegründet. Nun kann man den Schweizer mittags in Jeans statt Anzug beim Italiener im Westend treffen.
„Die großen US-Banken sind ab März in den Aktienmarkt gegangen und haben in ihren Eigenhandelsbüchern größere Positionen aufgebaut“, sagt Pfändler. „Das zeigen auch die großen Gewinne der Investmentbanken im zweiten Quartal, die zum Teil von Kursgewinnen mit Aktien stammen.“ Hedgefonds seien ebenfalls schon früh eingestiegen, sagt er. Das verraten auch Pflichtmitteilungen an die US-Börsenaufsicht von 687 Hedgefonds, die Goldman Sachs analysiert hat...........................
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