Bayer & "bittere Pillen"
Verfasst: 17.08.2001 12:17
Finger weg oder Watchlist, was meint Ihr ?
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Aus der FTD vom 17.8.2001
Ist die Risikoprämie bei Bayer zu stark gestiegen?
Negativnachrichten ohne Ende: Notierung in den USA verschoben, harsche Vorwürfe aus der Politik, Sammelklagen, Imageschaden. Die Risikoprämie bei Bayer steigt mit jedem Tag seit Rücknahme der größten Wachstumshoffnung Baycol.
Mittlerweile ist die Marktkapitalisierung mit 24 Mrd. Euro aber geringer als der Umsatz, den Bayer 2000 ohne Pharma erzielt hat. Ist das noch angemessen?
Unterstellen wir Schadensersatzforderungen von 2 Mrd. Euro. Dies dürfte den möglichen Dividendenzahlungen in den nächsten drei Jahren entsprechen. Gibt es daher erst ab 2004 wieder Dividenden in Höhe der vergangenen Ausschüttung von 1 Mrd. Euro und wachsen die danach mit fünf Prozent jährlich, ist Bayer 27,5 Mrd. Euro wert.
Unstrittig: Der Schadensersatz kann höher ausfallen. Der Verbraucher hat in den USA eine starke Stellung. Die klügsten Anwälte werden sich der Sache annehmen und feiste Forderungen stellen. Ihre Entlohnung hängt schließlich vom erstrittenem Betrag ab. American Home Products musste 1997 sein Diätmittel vom Markt nehmen - und hat dafür Rückstellungen von 12,25 Mrd. $ gebildet.
Aber selbst wenn erstinstanzliche Geschworenengerichte den Klägern folgen, dürften die - professionellen - Berufungsgerichte die Maßstäbe zurechtrücken. Schließlich hat Bayer auf die Gesundheitsrisiken hingewiesen. Gerade die von oben einkassierten Urteile gegen Zigarettenhersteller sind bezeichnend. Zudem sind die Leverkusener gegen derartige Schäden versichert - allerdings ist unbekannt bis zu welcher Höhe. Bei Sulzer Medical, das längere Zeit verunreinigte künstliche Hüftgelenke und Knie-Implantate verkauft hat, kostet der außergerichtliche Vergleich 780 Mio. $. Davon tragen die Versicherungen knapp ein Drittel.
Analysten, die den Wert von Bayer als Summe der einzelnen Sparten Gesundheit, Chemie, Polymere und Agro errechnen, kommen auch nach dem Debakel auf rund 50 Euro. Bayer hatte früher Forderungen, sich zu konzentrieren, regelmäßig abgebürstet. Die jüngsten Äußerungen aus Leverkusen zeigen eine neue Bescheidenheit - auch wenn noch nicht eingestanden wird, dass die Pharmasparte zu klein ist, um selbstständig zu bleiben. Bayer bleiben mittelfristig zwei Optionen: Pharma als Juniorpartner in ein Gemeinschaftsunternehmen einzubringen oder die Sparte ganz zu verkaufen. Interessenten dürfte es genügend geben. Das Management muss nur über seinen Schatten springen. Dass der lang reicht bei einem Unternehmen, das vor über 100 Jahren Aspirin erfunden hat, ist verständlich. Bayer wird aber wohl nicht anders können; der Markt wird das stärker denn je einfordern. Spätestens dann wird der Wert der Aktie sichtbar.
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Aus der FTD vom 17.8.2001
Ist die Risikoprämie bei Bayer zu stark gestiegen?
Negativnachrichten ohne Ende: Notierung in den USA verschoben, harsche Vorwürfe aus der Politik, Sammelklagen, Imageschaden. Die Risikoprämie bei Bayer steigt mit jedem Tag seit Rücknahme der größten Wachstumshoffnung Baycol.
Mittlerweile ist die Marktkapitalisierung mit 24 Mrd. Euro aber geringer als der Umsatz, den Bayer 2000 ohne Pharma erzielt hat. Ist das noch angemessen?
Unterstellen wir Schadensersatzforderungen von 2 Mrd. Euro. Dies dürfte den möglichen Dividendenzahlungen in den nächsten drei Jahren entsprechen. Gibt es daher erst ab 2004 wieder Dividenden in Höhe der vergangenen Ausschüttung von 1 Mrd. Euro und wachsen die danach mit fünf Prozent jährlich, ist Bayer 27,5 Mrd. Euro wert.
Unstrittig: Der Schadensersatz kann höher ausfallen. Der Verbraucher hat in den USA eine starke Stellung. Die klügsten Anwälte werden sich der Sache annehmen und feiste Forderungen stellen. Ihre Entlohnung hängt schließlich vom erstrittenem Betrag ab. American Home Products musste 1997 sein Diätmittel vom Markt nehmen - und hat dafür Rückstellungen von 12,25 Mrd. $ gebildet.
Aber selbst wenn erstinstanzliche Geschworenengerichte den Klägern folgen, dürften die - professionellen - Berufungsgerichte die Maßstäbe zurechtrücken. Schließlich hat Bayer auf die Gesundheitsrisiken hingewiesen. Gerade die von oben einkassierten Urteile gegen Zigarettenhersteller sind bezeichnend. Zudem sind die Leverkusener gegen derartige Schäden versichert - allerdings ist unbekannt bis zu welcher Höhe. Bei Sulzer Medical, das längere Zeit verunreinigte künstliche Hüftgelenke und Knie-Implantate verkauft hat, kostet der außergerichtliche Vergleich 780 Mio. $. Davon tragen die Versicherungen knapp ein Drittel.
Analysten, die den Wert von Bayer als Summe der einzelnen Sparten Gesundheit, Chemie, Polymere und Agro errechnen, kommen auch nach dem Debakel auf rund 50 Euro. Bayer hatte früher Forderungen, sich zu konzentrieren, regelmäßig abgebürstet. Die jüngsten Äußerungen aus Leverkusen zeigen eine neue Bescheidenheit - auch wenn noch nicht eingestanden wird, dass die Pharmasparte zu klein ist, um selbstständig zu bleiben. Bayer bleiben mittelfristig zwei Optionen: Pharma als Juniorpartner in ein Gemeinschaftsunternehmen einzubringen oder die Sparte ganz zu verkaufen. Interessenten dürfte es genügend geben. Das Management muss nur über seinen Schatten springen. Dass der lang reicht bei einem Unternehmen, das vor über 100 Jahren Aspirin erfunden hat, ist verständlich. Bayer wird aber wohl nicht anders können; der Markt wird das stärker denn je einfordern. Spätestens dann wird der Wert der Aktie sichtbar.