
WOLFRATSHAUSEN (GoingPublic) - Die Bedürfnisse der privaten Investoren zu befriedigen, ist ein nicht hoch genug einzuschätzendes Gut. Doch wann sollte der Aktionär wachsam werden?
Die Kommunikation mit dem Kapitalmarkt ist kein leichtes Unterfangen. Zum Börsengang scheint sie jedoch auf einfache Formeln wie "Wir sind ein führendes Unternehmen der IT-Branche" oder "Mit unserer strategischen Ausrichtung sind wir global einzigartig positioniert" focussiert zu sein. So wenigstens die Vergangenheit. Die Gegenwart im Zuge des Einbruchs am Neuen Markt, läßt aber die Investoren sensibler werden.
So auch bei den Ad hoc-Meldungen. Wer aufmerksam § 15 des Wertpapierhandelsgesetzes liest, stößt auf vier klar definierte Kriterien: (1) eine neue Tatsache (2) muss unverzüglich veröffentlicht werden, (3) wenn sie aus dem Tätigkeitsbereich des Unternehmens stammt und (4) bisher nicht öffentlich bekannt ist. Zugegeben, dann wird es etwas weicher in der Formulierung, denn die Tatsache soll (5) Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage des Unternehmens haben und vor allem (6) geeignet sein, den Börsenpreis erheblich zu beeinflussen. Entscheiden soll dies der nicht existierende "rational handelnde Investor".
Wer jedoch genauer hinsieht, bemerkt, dass der Gesetzgeber durchaus einige Regeln zum Abfassen von Ad hoc-Mitteilungen parat hält. Kurze Sätze, keine Tippfehler und klare Formulierungen erhöhen sicher die Lesbarkeit. Aber es dürfen in Ad hoc-Meldungen auch keine Zitate verwendet werden, sie dürfen keine Eigenwerbungen enthalten und sollten auch nicht länger als zehn, maximal zwanzig Zeilen sein. Wenn dann noch Wichtiges "oben" in der Meldung und nicht "unten" am Ende steht, ist das Unternehmen auf einem guten Weg. Besonders dann, wenn es sich nur auf die Notwendigkeiten, etwa die Abweichungen von Planzahlen beschränkt.
Was hat das alles mit Harald Schmidt zu tun? Der Aktionär sollte hellhörig bei bestimmten Formulierungen in Ad hoc-Mitteilungen werden. Frei nach des "Entertainers Schnauze" hier also die Top-10 der "kritische Aufmerksamkeit hervorrufenden Formulierungen in Ad hoc-Meldungen" am Beispiel der Gesundheitsbranche.
Nr. 10 - Das Unternehmen geht jedoch davon aus, dass die geregelte Kostenübernahme im Jahre 2002 erfolgt.
Nr. 9 - Das Management ist davon überzeugt, auch in Zukunft die wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Planungen erfüllen und sogar übertreffen zu können.
Nr. 8 - Die Steigerung der Aufwendungen ist im Wesentlichen auf die stark gestiegene Anzahl hochqualifizierter Mitarbeiter zurückzuführen.
Nr. 7 - Die AG ist ein führendes Biotechnologie-Unternehmen, das die Genomforschung systematisch in die Arzneimittelforschung integriert.
Nr. 6 - Die AG hat das Patent für die weltweit erstmals entwickelte Technologie angemeldet.
Nr. 5 - Die US-Tochter blieb allerdings hinter den hochgesteckten Erwartungen zurück. (Vorsicht: Gewinnwarnung!)
Nr. 4 - Das Unternehmen erreicht Meilensteine durch Lieferung von zwanzig Targets an eine Pharma-Gruppe.
Nr. 3 - Die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes für das abgelaufene Geschäftsjahr betrug 100 %.
Nr. 2 - Dadurch stieg das negative Ergebnis im Vergleich zum Geschäftsjahr 1999.
Und Nummer 1 der Formulierungen, die einen Aktionär stutzig machen sollten, ist:
Nr. 1 - "Das ist ein wichtiger Schritt für die Biotechnologie in unserem Bundesland" (Zitat des Wissenschaftsministers)
Nachtrag:
Alle Formulierungen, in denen nur die Namen und Zahlen geändert wurden, entstammen Ad hoc-Mitteilungen der Life Science Branche. Zur Erläuterung einige Hinweise: - Management-Überzeugungen oder Zitate, insbesondere von Unbeteiligten, haben in einer Ad hoc nichts zu suchen. - Eigenwerbung "führender Unternehmen" sind verpönt. - Vorsicht, wenn ein negatives Ergebnis steigt: es ist ein Verlust. - Eine Patentanmeldung ist kein Patent. Und erst mit Erteilung des Patentes ist seine Einmaligkeit wirklich bewiesen. - Abstimmungsergebnisse von Hauptversammlungen sind in der Ad hoc fehl am Platze. - Im Plan liegende Fakten sind unerheblich für Ad hoc-Mitteilungen. - Targets sind keine Medikamente. Sie zu produzieren und zu verkaufen ist beim heutigen Wettbewerb nichts besonderes mehr.