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Der Ukraine-Krieg oder die historische Niederlage des Westens
infosperber.ch
Patrik Baab / 9.03.2025 Die Ukraine wurde zur Schlachtbank geführt.
Deutschland ist der grösste ökonomische Verlierer. Wir alle werden die Zeche zahlen.
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Ausblick: Waffenstillstand, aber kein Frieden
Jetzt lassen die USA die Ukraine fallen – der Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Das Projekt Ukraine ist vorbei. Für die USA hat Europa keine Priorität mehr.97 Sie wenden sich nun mit aller Kraft dem Hauptrivalen China zu. Entwicklung und Märkte für Künstliche Intelligenz sollen entfesselt werden.98
Russland wird jede Feuerpause ablehnen, die der Ukraine und dem Westen nach einer Atempause eine Neuaufnahme der Kämpfe ermöglicht. Es ist die Konsequenz eines verlorenen Krieges, dass der Sieger die Bedingungen diktiert. Wer am Verhandlungstisch erfolgreich sein will, muss vorher auf dem Schlachtfeld siegen. Was der Kreml erreichen will, ist eine gesamteuropäische Friedensordnung, die vom Prinzip unteilbarer Sicherheit ausgeht. Dies geht nicht in einer unipolaren Welt, in der die Führungsmacht die Bedingungen diktiert. Gegenseitige Sicherheit ist nur möglich in einer multipolaren Welt.
Die EU-Regierungen dürfen jetzt den Schlamassel selbst aufräumen, in den sie sich hineinmanövriert haben. Sie haben nach der Münchner Sicherheitskonferenz angekündigt, Friedenstruppen für die Ukraine stellen zu wollen. Dies dürfte Moskau kaum akzeptieren, da der Kreml Grossbritannien und die EU de facto als Kriegspartei betrachtet.99 Das bedeutet: Die Ukraine wird keine nennenswerten Sicherheitsgarantien erhalten.100 Wie die Ukraine sitzen die EU-Regierungen bei den Verhandlungen bestenfalls am Katzentisch.
Es rächt sich die Servilität transatlantisch korrumpierter Eliten in Europa. Der Verzicht auf jegliche aussenpolitische Selbständigkeit, oder, wie Robert Habeck dies erklärt hat, «dienende Führung», erweist sich als Sackgasse. Nun müssen die verantwortlichen Politiker die Kosten des «vermeidbarsten Krieges der Welt» (Richard Sakwa) auf die eigene Bevölkerung abwälzen. Europaweit, aber vor allem in Deutschland, wird ein Verarmungsprozess einsetzen, der erhebliche soziale Brüche und Verteilungskämpfe bis hin zu inneren Unruhen nach sich ziehen wird.
Es dürfte dann auch dem letzten Desinteressierten auffallen, dass das herrschende Parteien-Kartell abgewirtschaftet hat. In der Folge wird – von Trump-Gefolgsleuten angeheizt – die Entwicklung ganz zu Gunsten von Parteien wie der AfD in Deutschland verlaufen. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz hat Vizepräsident J.D. Vance für einen Fall der Brandmauer plädiert und europäische Politiker ermahnt, der Stimme des Volkes zu folgen.102
Er erinnerte daran, dass nicht Russland die grösste Bedrohung darstellt, sondern der Abbau der Bürgerrechte und die Zerstörung der Demokratie.103 Ein Treffen von US-Vizepräsident J.D. Vance und Bundeskanzler Olaf Scholz am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz war nicht vorgesehen, aber eines mit dem Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz.104 Merz war von 2016 bis 2020 Vorsitzender des Aufsichtsrats der Tochterfirma BlackRock Asset Management Deutschland AG.105 Damit ist klar, wohin die Reise geht: Mit einer auf transatlantische Linie gebrachten AfD an der Seite der CDU soll der Finanzkapitalismus entfesselt und umfassender Sozialabbau durchgedrückt werden. Deutschland wird mit einem Kanzler Merz als zweites Land in Europa nach der Ukraine – wo bereits ein Konsortium von BlackRock und JP Morgan die Staatsschulden managt – in die Hände von Finanz-Heuschrecken fallen.
Der Rückbau der Bürgerrechte und der Demokratie ist irreversibel. Der Krieg hat den Weg in den Überwachungs-Kapitalismus beschleunigt. Vergleiche mit dem Nationalsozialismus sind hier unangebracht. Zum einen ist die Diktatur des Finanzkapitals keine nationale Strategie der Eroberung, sondern sie wird global ausgerollt. Zum zweiten handelt es sich um einen «blockierten Konflikt»106: Die scheinbar kostenfreie Verfügbarkeit von Online-Angeboten sediert die Bevölkerung im Überwachungs-Kapitalismus, und eine starke Arbeiter- oder Bürgerrechtsbewegung wie in der Weimarer Republik existiert als organisierte politische Kraft nicht mehr. Die Transformation zur Fassadendemokratie, zu einem «umgekehrten Totalitarismus», ist ebenfalls ein Zerfallsprodukt des Westens.107
Europa und insbesondere Deutschland gerät in den Windschatten der ökonomischen Entwicklung. Wir werden nicht nur zum Hinterhof der USA, sondern auch zum Hinterhof Russlands, das seine Hinwendung nach Asien nicht mehr rückgängig machen wird; denn es geht um Milliarden-Investitionen, die sich rentieren müssen. Die Menschen in Europa, vor allem in Deutschland, werden die Kosten eines Krieges bezahlen, den sie nicht verhindern wollten.
Auch der Mangel an Zivilcourage insbesondere in Deutschland, die propagandistische Verblendung und die schwerfällige Agonie grosser Teile der Bevölkerung tragen ihren Teil zum Niedergang bei. Denn verantwortlich für das Unheil sind nicht nur jene, die es anrichten, sondern auch jene, die es nicht verhindern wollten.
Versucht man eine Gesamtschau, so stimmt die Welt nicht mehr mit den globalen Illusionen des Westens überein. Die Hegemonie Washingtons ist nicht mehr realisierbar. Die Niederlage des Westens in der Ukraine ist besiegelt, der Konflikt verlagert sich allmählich auf andere Schauplätze. Wie beim Untergang des Römischen Reiches brechen deshalb an den Peripherien des Imperiums asymmetrische Kriege aus. In einem jahrzehntelangen Abnutzungskampf werden die USA darin die Kräfte ihrer Satrapen überdehnen und allmählich ihre eigenen verschleissen.108
Donald Trump will den Krieg in der Ukraine loswerden und europäisieren, aber er hält am Konzept «Make America great again» fest. Es handelt sich deshalb um die Fortsetzung der imperialen US-Politik mit anderen Mitteln. Er respektiert den Übergang zur multipolaren Welt und arrondiert den eigenen Machtbereich auf Kosten der Vasallen. Doch die Konflikte, die wir erleben, stehen erst am Anfang.
Dass Trump in Zeiten solcher Umbrüche vorgeschlagen hat, gemeinsam mit Russland und China nuklear abzurüsten, könnte zur wichtigsten Initiative eines US-Präsidenten in den vergangenen Jahrzehnten werden – falls er sich gegen den militärisch-industriellen Komplex durchsetzen kann. Vielleicht kann es so gelingen, die Welt vor einer atomaren Katastrophe zu retten.110
Ich fasse zusammen:
1. Der Westen hat den Krieg in der Ukraine verloren. Washington verabschiedet sich von Europa und fügt sich in die multipolare Realität. Die USA konzentrieren sich ganz auf den Kampf gegen China. Washington europäisiert den Krieg.
2. Die Ukraine wird geteilt. Die Gebiete, die der Russischen Föderation eingegliedert wurden, bleiben russisch. Moskau fordert 30 Prozent des ukrainischen Gebiets, wird aber auf Odessa und Charkiw verzichten müssen.111
3. Die Hinwendung Russlands nach Asien ist irreversibel. Dem Westen wird es nicht gelingen, Peking und Moskau zu spalten.
4. Trump wird die EU dazu zwingen, die Ukraine aufzunehmen und den Wiederaufbau zu bezahlen. Dadurch blutet die EU finanziell aus und wird auseinanderfallen. Europa wird wirtschaftlich und politisch zum Hinterhof der Weltökonomie und der Geopolitik.
5. Der wirtschaftliche Niedergang des Westens ist langfristig unaufhaltsam. Aussenministerin Baerbock verplappert sich und erwähnt ein neues Rüstungspaket der EU für die Ukraine in Höhe von 800 Milliarden Euro, das beschlossen werden soll.112 Damit hat die EU entschieden, mit dem sinkenden Schiff unterzugehen.113
6. Der Westen ist gespalten. Die USA werden sich teilweise aus Europa zurückziehen, aber die Nato als Disziplinierungs- und Kontrollinstrument gegenüber den Europäern erhalten. Die EU soll künftig allein die Russische Föderation eindämmen.
7. Die Realitätsverweigerung europäischer Eliten dauert an. Provokationen wie die von Annalena Baerbock,114 den Taurus zu liefern und Russlands Hinterland anzugreifen, könnten Moskau zu einem Präventivschlag bewegen und eine nukleare Katastrophe herbeiführen.
8. Von einer gesamteuropäischen Friedensordnung auf der Grundlage gemeinsamer, unteilbarer Sicherheit sind wir weiter entfernt denn je.
9. Zu verdanken haben wir dies Politikern und einer akademischen Schicht, die nicht wissen, was Krieg heisst.