KLAUS BUHL
Tragödie oder Sommerrallye?
15.07.11
die vergangene Handelswoche erinnerte nicht im entferntesten an ein Sommerloch oder die berüchtigte „Saure-Gurken-Zeit“. Zuerst mussten sich die Marktteilnehmer „nur“ mit dem äußerst enttäuschenden US-Arbeitsmarkt auseinandersetzen. Doch dann kam es mit dem blitzschnellen Angriff auf die italienischen Anleihen knüppeldicke. Binnen Minuten schnellten deren Renditen auf unglaubliche sechs Prozent in die Höhe und erstickten dadurch die Sorglosigkeit der Optimisten, die noch die angebliche Rettung Griechenlands feierten und auf eine Sommerrallye wetteten. Reflexartig und in Sekundenschnelle lief die übliche Kettenreaktion ab. Die Aktienmärkte und der Euro knickten ein, der US-Dollar als angeblich sicherer Hafen und der Bund Future schossen in die Höhe.
Damit entpuppte sich der vorherige technische Befreiungsschlag der europäischen Börsen als gigantische Bullenfalle, in die ich mit meiner hier in der Vorwoche gezeigten Zuversicht ebenfalls getappt bin. Überraschend robust präsentieren sich dem gegenüber aber die US-Märkte und der innere Markt, die bisher noch relativ ungeschoren blieben.
Sehr deutlich zeigte sich jüngst, dass diejenigen Käufer und Trader, die zuletzt auf den Zug gesprungen sind, gar nicht schnell genug wieder abspringen konnten. Verstärkt wurde die Bewegung natürlich noch von den rasch eröffneten Shortpositionen des Bärenlagers und den zur Exekution anstehenden Stopp-Loss-Limiten. Kein Wunder also, dass der Kursverfall am hektischen Dienstag im DAX erst an der Marke von 7.000 Punkten und auf Höhe der wichtigen gleitenden 200-Tage-Linie stoppte. Obwohl die Bullen momentan nicht viel zu lachen haben, beförderten die vergangenen Tage auch drei sehr positive Dinge zu Tage. Erstens zeigen starke Hände in der Nähe der nach wie vor steigenden 200-Tage-Linie deutliches Kaufinteresse und zweitens scheinen die negativen Meldungen rund um die Verschuldungskrise nur noch kurzfristige Wirkung zu hinterlassen. Drittens ist es sehr überraschend, dass sich der von mir verfolgte innere Markt und sein Hauptindikator (der auf dem US-Markt beruht) trotz des unsicheren Umfelds sehr robust zeigt.
Gute und neue fundamentale Nachrichten, die zu Aktieninvestments anregen, sind derzeit kaum auszumachen oder werden von der politisch verstärkten Unsicherheit überlagert. In Anbetracht der prekären Lage auf beiden Seiten des Atlantiks und der drohenden Schmelze des Papiergeldsystems, aber auch angesichts des anhaltenden Medienrummels, halten sich die Indizes meiner Meinung nach sehr respektabel.
Nachrichten stumpfen ab
Die Abwärtsdynamik an den europäischen Märkten hing auch damit zusammen, dass bisher Italien nur in der zweiten Reihe der üblichen Wackelkandidaten gehandelt wurde und damit der Angriff auf dessen Schuldtitel eine echte Überraschung für die Investoren darstellte. Da Italiens Schulden zu über 50 Prozent im Inland platziert sind, gehe ich davon aus, dass die Risikospreads wieder rasch abbröckeln und sich die Angreifer wieder auf Griechenland, Spanien und Portugal konzentrieren.
Allerdings könnte die turbulente Woche aber auch etwas Positives in Bewegung setzen. Ganz langsam scheint nämlich ein Lernprozess in der Führungsgruppe der für die Währungsunion verantwortlichen Politiker einzusetzen. Das überhastet angesetzte Gipfeltreffen, welches nun natürlich von den Medien als Krisengipfel tituliert wird, nährt die Hoffnung an den Finanzmärkten, dass das ewige „Herumwurschteln“ beendet wird. Langsam wird auch den Beamten in Brüssel deutlich, dass der Einstieg in die Transferunion im Frühjahr 2010 ein unumkehrbarer Fehler war. Dieser kann zwar nicht rückgängig aber wenigsten dessen schlimmsten Auswirkungen können gemildert werden, falls nun doch noch ein radikaler Schuldenschnitt beschlossen wird. Auch wenn dieser zu heftigen Schmerzen führt, sind die Konsequenzen für die Akteure bereits eingepreist und die EU könnte sogar in der Zukunft ganz langsam wieder etwas Vertrauen zurückgewinnen. Umgekehrt würde ein weiteres Aufschieben der Thematik sogar die Handlungsfähigkeit der Europäischen Zentralbank bedrohen, da diese ja auf einem riesigen Betrag von faulen Anleihen sitzt.
FED befeuert den Minensektor
Ein anderer Grund für die respektable Gegenwehr der Bullen auf vordergründig verlorenen Posten ist meiner Meinung nach die tatkräftige Unterstützung der FED, vor allem die Veröffentlichung des Protokolls der letzten Notenbanksitzung. Darin bekräftigte der FED-Chef seine Bereitschaft, bei Bedarf weitere Anleihenkäufe zu initiieren, also ein „QE3“ zu starten. Wie erwartet profitierten davon vor allem die Edelmetalle Gold und Silber, da der Bedarf sich vor Inflation zu schützen wieder stark zunimmt. Einer der Profiteure des anhaltenden Vertrauensschwundes ist fraglos der Minensektor. Ähnlich wie dieser bereits im Winter die im Frühjahr erfolgte Konsolidierung der meisten Preise von Edelmetallen antizipierte, so deutlich beendete der Sektor auch seine jüngste Korrektur kurz bevor die Preise von Gold und Silber wieder anzogen.

Gut zu erkennen ist das deutliche Verkaufssignal im Juni im Goldminensektors HUI unterhalb von 500 Punkten, welches sich aber rasch als Verkaufssignal darstellte. Das Verkaufssignal unterhalb der wichtigen Unterstützung erkennen Sie an der an der 0-Spalte, welche unter die vorhergehende 0-Spalte wanderte. Ähnlich wie im DAX am vergangenen Freitag und Montag, hier aber mit umgekehrten Vorzeichen, mussten sich diejenigen Händler wieder eindecken, die zuvor auf fallende Kurse gewettet hatten. Folglich verstärkte sich der Kaufdruck bei steigenden Kursen, pulverisierte die fallende negative Widerstandslinie und trieb die positive X-Säule in die Höhe. Immer deutlicher wird der Goldminensektor von der Nachfrage beherrscht und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Nach einer kurzen Konsolidierung der Goldminentitel rechne ich daher mit einem Test der Seitwärtsbewegung bei 600 Punkten und sogar neuen Hochs.
NYSE BPI unbeirrt
Wie schon oben erwähnt, hat auch der Hauptindikator des inneren Marktes, der NYSE BPI nicht vor der drohenden Bullenfalle gewarnt. Aber leider muss man als Anleger akzeptieren, dass kein Indikator und kein System dieser Welt dazu in der Lage ist und dass der NYSE BPI dafür auch gar nicht konzipiert ist. Dieser Risikoindikator besticht durch seine Fähigkeit, die allmählich unter der Oberfläche der Indizes verborgenen Veränderungen im Gefüge zwischen Angebot und Nachfrage aufzudecken. Die Umschwünge zwischen den Risikozuständen entwickeln sich langsam und behutsam, zeigen aber sehr deutlich, ob das Pendel in Richtung des Bären- oder des Bullenlagers schwingt. Von außen betrachtet ist es erstaunlich, aber ich empfehle Ihnen, dies in der aktuell hektischen Marktphase zu beachten: der innere Markt litt in den vergangenen schwachen Tagen kaum unter Mittelabflüssen und die Anzahl der Kaufsignale im breiten Markt der NYSE ist praktisch unverändert. Nach wie vor ist eine genügend große Anzahl von Aktien unter der Kontrolle der Nachfrage und nicht des Angebots. Meiner Meinung nach kann das nur daran liegen, dass die starken Hände am US-Markt davon ausgehen, dass die dortigen Politiker den Streit um die Anhebung der Schuldenobergrenze einstellen und handeln. Ebenfalls scheint man davon auszugehen, dass die Europäer das griechische Trauerspiel abkürzen, ein sogenanntes Kreditereignis hinnehmen und die griechischen Schulden neu strukturieren. Auch wenn dies Schmerzen bereiten wird.

Ganz rechts sehen Sie die aktuelle positive X-Spalte, die auf den Vorteil des Bullenlagers deutet. Bei fast 60 % und praktisch unverändert liegt die Zahl der gehandelten Titel, die sich in der Hand der Bullen befinden.
China besser als vermutet
Da der Shanghai Composite Index recht hoch mit dem DAX korreliert ist, lohnt es sich diesen gut im Auge zu behalten. Übergeordnet verfügt dieser nach wie vor über eine leicht steigende 200-Tage-Linie und sollte daher trotz der in den Medien gestreuten Bedenken noch nicht abgeschrieben werden. Allerdings hat sich hier vor wenigen Wochen ein ernsthaftes Warnzeichen gebildet, als der 50-Tage-Durchschnitt unter den 200-Tage-Durchschnitt fiel. Dieses deutliche Verkaufssignal habe ich im folgenden Chart rot eingekringelt.

Seit ein paar Tagen sieht es aber danach aus, als ob sich die Bullen darum nicht kümmern und wir auch in diesem Markt ein Fehlsignal sehen würden. Da auch die Markttechnik in Form des MACD stark divergent ist und ein Kaufsignal ausgelöst hat, gehe ich von einem Test der zyklischen Hochs im April bei 3.050 Punkten aus. Diese Entwicklung könnte auch dem DAX und damit den europäischen Börsen auf die Beine helfen, obwohl derzeit die Ursachen der Kursbewegungen völlig andere sind.
Als Fazit der Woche kann festgehalten werden, dass die weltweiten Börsen überraschend robust handeln und wahrscheinlich sehr viel Negatives bereits in den Kursen steckt.