Die Baisse der Reichen

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Moderator: oegeat

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Turon

Die Baisse der Reichen

Beitrag von Turon »

Eigentlich haben wir es ja schon immer geahnt, doch jetzt haben wir es endlich schwarz auf weiß. Es gab natürlich auch vorher schon viele Indizien, wovon die Prozentrechnung das wichtigste ist. Denn es ist eine verdammt schlichte Rechnung und eine verdammt schlichte Erkenntnis:

Die jetzt erst wohl endgültig verblichene Hausse war nicht die Hausse des "kleinen Mannes". Denn dass man dann, wenn man nicht viel besitzt, gerade an der Börse reich werden kann, ist ein genauso ein Ammenmärchen wie beispielsweise die Geschichte von der schmerzlosen Geburt. Mit dem Unterschied allerdings, dass sich aus letzterem für den Versprechenden vergleichsweise deutlich weniger Profit erzielen lässt als aus ersterem ...

Eigentlich muss man dazu nur einen Blick auf die Prozentrechnung werfen: Denn um mit einem Einsatz von beispielsweise 10.000 DM zum Millionär zu werden, muss man eine Performance hinlegen, die 9.900 Prozent nicht unterschreiten darf. Wohingegen derjenige, der bereits 10 Millionen DM besitzt, nur noch einen schlappen Anstieg von 10 Prozent benötigt, um ebenfalls eine Million DM "zu machen". Man sieht also, wie fahrlässig das Versprechen "Ich mache Sie zum Millionär" selbst angesichts des Rekordstandes des Neuen Marktes im Frühjahr 2000 gewesen ist.

Zu den gleichen Ergebnissen wie die reine Logik der Prozentrechnung kommt nun auch eine neue Studie im Auftrag der US-Notenbank. Konkret: Die Kursgewinne der letzten Jahre entfielen weit überproportional auf die einkommensstärksten 20 Prozent der US-Bürger. Es war also eine Hausse der Reichen - und der Rest hat wohl weitgehend nur zugesehen beziehungsweise mit einem Taschengeld mitgespielt, jedoch keinen nennenswerten Reichtum aufgehäuft.

Die "Hausse der Reichen" damals bedeutet nun aber umgekehrt auch die "Baisse der Reichen" jetzt, was durchaus interessante Einblicke in die gegenwärtige Situation nicht nur der US-Wirtschaft erlaubt. Denn parallel zur Hausse der 90er Jahre haben wir in den USA einen dramatischen Rückgang der privaten Sparquote 8 Prozent auf derzeit minus 0,7 Prozent erlebt. Hängt nun, was durchaus plausibel ist, das Sparverhalten mit der Aktienkursentwicklung zusammen, so kann man nun daraus folgern, dass dieser Rückgang der Sparquote ebenfalls überproportional den höheren Einkommensschichten zuzuordnen ist.

Das wiederum heißt jedoch: Die Sparneigung der US-Normalbürger ist offenbar höher als die Durchschnittszahlen, von denen wir immer reden, uns zeigen. Am Konsum- und Sparverhalten des Normalbürgers ist die Hausse also spurloser vorbeigegangen als wir das befürchten mussten, weshalb auch in der Baisse die Angst vor den negativen Vermögenseffekten auf den Konsum nicht übertrieben werden sollte. Denn der Hauptteil des Konsums wird durch das verursacht, was zwar schrecklich nach Gewerkschaft und alter SPD klingt, dadurch jedoch nicht falsch wird, - nämlich durch den "Massenkonsum". Und dieser ist viel eher von der Lohnentwicklung als von den Vermögenseffekten abhängig.

Gott sei Dank sind wir also trotz vielfältiger anderer Attitüden in den Medien und in der Werbung anscheinend überall so "proletarisch" geblieben, dass jetzt sogar der Börsianer vom Mann auf der Straße das Sicherheitsnetz gespannt bekommt. Anders sieht es hingegen im Bereich der Güter aus, die nahezu ausschließlich von den hohen Einkommensschichten gekauft werden. Die Vermögenseffekte wirken also nicht wie eine Schrotflinte, sondern eher wie ein gezielter Schuss auf das, was vorher überproportional in die Höhe gestiegen ist. Eine allgemeine Bedrohung unser Wirtschafts- und Börsensituation droht also von dieser (!) Seite nicht.

Doch noch ein Wort zum Schreckensgespenst der niedrigen Sparquote in den USA: Weil sich die Höhe der Ersparnisse statistisch nicht erfassen lässt errechnet sie sich ausschließlich als Restgröße dessen, was im Inland verdient und nicht für Konsum oder Investitionen verausgabt wurde. Es gibt daher grundsätzlich zwei verschiedene Arten einer niedrigen Sparquote: Entweder, die Ersparnisse sind niedrig und die Investitionen sind es auch. Oder aber, die niedrigen Ersparnisse korrespondieren mit hohen Investitionen, wobei die Differenz aus Kapitalimporten gespeist wird. Dies führt zwar zu einer gewissen Abhängigkeit vom Ausland, doch diese ist tatsächlich nur dann tragisch, wenn sie in Fremdwährung besteht.

Innerhalb des Universums statistisch niedriger Sparleistungen leben die USA also in der besten aller Welten. Denn sie haben immerhin eine hohe Investitionsquote, welche sie sich gegen Dollarverbindlichkeiten von den Ausländern finanzieren lassen. So etwas kann sich natürlich nur das Leitwährungsland leisten, wovon die USA denn auch heftigen Gebrauch machen. Den Weltfinanzen droht damit allerdings so lange kein ernsterer Schaden, wie die USA ihre Hegmonialstellung behaupten können.

Ein viel größerer Sprengsatz als die niedrige Sparquote in den USA wäre daher ein selbstbewusster und starker Euro. Bleibt zum Schluss also nur noch die eine Frage: Ist der Euro vielleicht exakt aus diesem Grund so schwach?

Bernd Niquet

Ich übernehme diesen <u>nichtssagenden</u>
Artikel, ohne mir keine Gedanken darüber zu machen, über <u>Einkömmen,Vermögen,</u> etc.

Ein Punkt aber bleibt: wenn an dem Dow und Nasdaq nur 20% der reichsten Menschen spekulieren in USA, dürfte es heißen, der kleine Mann hat überhaupt keine Verluste erlitten. ;)
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Beitrag von oegeat »

<BLOCKQUOTE><font size="1" face="Verdana, Arial">Zitat:</font><HR>Original erstellt von Turon:

Ein Punkt aber bleibt: wenn an dem Dow und Nasdaq nur 20% der reichsten Menschen spekulieren in USA, dürfte es heißen, der kleine Mann hat überhaupt keine Verluste erlitten. ;)
[/quote]

oder der "kleine" Mann hat "nur" sein Taschengelt verjubelt !!!! Bild und lacht sich eins !

oegeat
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Turon

Beitrag von Turon »

Das ist sicherlich tatsächlich eine Überlegung wert, aber wenn er denn nur sein Taschengeld vejubelt hat - die 20.000 mit denen er nicht wußte was er angeblich tun soll - was macht er jetzt?

Erstens: er fühlt sich abgezockt;
Zweitens: seine Vorhaben stellt er jetzt
logischerweise zurück;
Drittens: er spart, und sparen ist ganz
sicher schlecht für die Wirtschaft;
Viertens: da er spart, schreiben die
Unternehmen schlechte Zahlen;
Fünftens: sie sind gezwungen die Belegschaft zu reduzieren, und dadurch hat der kleine Mann auch nicht nur 20.000 verjubelt, sondern
gleich auch noch seinen Job, mit seiner Sparschiene. Für ihm wäre es besser, er würde auf Kredit verlieren :D

So läuft das nämlich.
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Beitrag von oegeat »

Nee jetzt kommt er zu mir und nimmt nen Fr.wä.Kredit auf dam it er etwas zum anlegen hat denn immer hin sind die meisten kurse dort wo sie 1998 war !!! :D :D
kleiner Scherz !

Doch eines ist bemerkenswert viele meiner Kunden die vergangenes Jahr den kleinen Betrag x angelegt haben - in Fonds kommen jetzt auf einmal mit dem doppelten ja dreifachen !!! ums anzulegen .

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Turon

Beitrag von Turon »

Da mußt Du ein verdammt guter Berater sein,
denn meine beiden befreundete Bankiers (Sparkasse und Dresdener) haben im Anlagebereich bei den meisten Kunden Kapital geviertelt.

Sind aber gute Schachspieler ;) hier gewinne ich fast immer. :D

Ehrlich: beide haben im Sachbearbeitungbereich ein kleines Problem, Aktieninteressenten gingen so zurück, bei den Banken, daß falls die Burschen nur Aktienberater wären, würde es nicht mal für einen Job auf 630 DM Basis reichen.

Ich hoffe sehr, Du verkaufst den Leuten keine Aktien. Würde ich jetzt nicht tun.
Nicht mehr. Ich habe zum Beispiel meine Investments derzeit auf unter 8% heruntergefahren.

Aber ansonsten: mach was Du willst - meine was Du willst, solange sich die Märkte nicht bald so stabilisieren, daß der Nemax nicht auf 3800 steigt binnen paar Wochen ist die Sache für lange, lange und noch sehr lange Zeit gegessen.

Für die paar Kröten die derzeit an der Börse zu verdienen sind, sind die Risiken eines Fehlschlags wesentlich höher als jemals zuvor. Es herrscht Illiquidität sonders gleichen, so um die 150 Aktien werden
am Nemax mit weniger als 1000 Aktien gehandelt.

Da kann man sich bestenfalls einmal ein Eis verdienen, und Risiko liegt in dem Anschaffungspreis für einen PKW.
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Beitrag von oegeat »

Vorweg mal ich verkaufe Fonds ! -das ist nun eh schon hinlänglich bekannt hier im Forum.

Wobei ich jeden Kunden sag nicht mehr wie 30 % High Tech. kommen in dein Portpholio.

Die Basis kann zB der sein
meinen liebling zu erst ! da kann man auch Monatlich was anspaaren :D
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dann als Zutaten empfahl ich seit beginn der Jahres
Bild oder Bild

so das soll aber kein Fondsseminar sein !!

Wie man sehen kann konnte man mit Fonds auch was verdienen !
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Beitrag von Turon »

Ja wenn man sie vor 3 Jahren gekauft hat.
Da gibt es auch Fonds die so einen ominösen Ausgabeaufschlag verlangen, was gleichzeitig ebenfalls Gewinn schmälert.

Ich will mich zu diesem Thema ja nicht unbedingt auslassen, Fonds sind nun mal definitiv nicht meine Branche.

Nicht erst seit Maydorn. :D
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Beitrag von oegeat »

alle oben genannten fonds wären auch wenn man sie im April -Mai 2000gekauft hätte jetzt trotz Ausg. im plus.

Manchmal habe ich den Eintruck, das manche Leute glauben es gibt nur schei.. NM und Technosche... Fonds !

entschuldige das mußte gesagt werden alles in einen Topf zu werfen ist nicht klug !

Noch etwas ist schon klar das die Pfeifen von der Bank verhungern die Ihren Kunden nur den hauseigenen Fondsmüll angetreht haben !

Da dürfte auch das Beratungsgespräch auch nur 2 min gedauert haben und sich jetzt Kunden denken "uhi Fonds können auch ins minus wandern -na was mach ich dann !"
oder der Kunde erhielt Kommentarlos seinen Depotauszug zum Jahreswechsel ohne den dezenten hinweiß das man jetzt einen geringeren Kurs erhält !
Der liebe Bankmann glaubt vielleicht die Leute werden schon alleine bei der Tür reinschnein da muß er doch nichts dazu beitragen ! ach woher das geht doch alles von alleine ....
Ich bin dafür ist egal was die Leute machen ihr Einkommen zu 90 % durch den Umsatz verdienen sollen. Dan würden sie sich den Ar... aufreißen und endlich wie ein Unternehmer denken.
Aus genug gemotz bin froh selbst. zu sein und niemanden ausser mir selbst und vielleicht im weitesten meiner Fr. und Ki. verantwortlich zu sein im Beruflichen .
oegeat
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Turon

Beitrag von Turon »

Ach die Beratungen waren schon etwas länger keine Angst.....

Es ist so wie bei Nemaxaktien. Einige wenige brachten dem Käufer zumindest eine Rendite von 20%.

Bei den Fonds ist es aber genauso:
es werden auch Fonds aufgelöst:

Gerüchte über Fondsauflösung bringen Neuen Markt unter Druck
FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Kurse zahlreicher Neuer-Markt-Werte sind am Mittwoch unter Druck geraten, nachdem in einem Zeitungsbericht über die Auflösung eines Fonds von DAC-Fondsmanager Bernd Förtsch spekuliert worden war. Zu den Betroffenen zählten Händlern zufolge Adva Optical Networking , D.Logistics und Morphosys .

"Die schlechten Nachrichten reißen ja gar nicht mehr ab", sagte ein Händler. "Wenn Fondsgesellschaften anfangen würden, auf Grund von Mittelabflüssen Fonds aufzulösen, sehen wir neue Tiefststände", befürchtete er.

FÖRTSCH: 'DA IST ÜBERHAUPT NICHTS DRAN'

"Da ist überhaupt nichts dran", widersprach Förtsch im Gespräch mit dpa-AFX einem Bericht der Tageszeitung "Die Welt". Im Oktober habe die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schon einmal fälschlicherweise die Auflösung des DAC-UI-Fonds angekündigt. "Hut ab vor meinen Anlegern, die unserem Haus die Treue halten", fügte er hinzu.

Keiner der elf DAC-Fonds werde aufgelöst. Es handele sich um ein Gerücht, das "aus Frankfurter Bankenkreisen" gestreut werde. Er genieße weiterhin das volle Vertrauen der Investmentgesellschaften Universal und Hauck & Aufhäuser. "Es gibt auch keine Aufpasser, die mir zur Seite stehen", sagte Förtsch. Er habe gegen den Axel Springer Verlag rechtliche Schritte wegen falscher Berichterstattung und Rufschädigung eingeleitet.

"Wir haben hier nichts verkauft", kommentierte er die Kursverluste der von ihm in seinen Fonds stark gewichteten Titel. Angesichts des durch den Pressebericht ausgelösten Kursverfalls sei es "eher mal eine Überlegung zuzukaufen", fügte er hinzu./hi/ms/af

Und wenn Schweinebacke sagt - er steht zu einem Wert, dann........plump ..... und schon ist der Fisch außerhalb des Aquariums.


Gut OK - ich habe bei meinen Investements seit März, meine Gewinne seit Januar bis März auch verzockt. bin auf Jahresbasis mit Anfang seit siet Januar mit satten -3% aus dem Rennen, wo ich schon bei 20% plus war.

Und bei den restlichen Positionen sehe ich eigentlich nur noch schwarz.

Aber irgendwie, habe ich in diesem Jahr seit März nur falsche Entscheidungen getroffen.
Komischerweise haben die Positionen exakt das gemacht was ich vorhergesagt habe.

Einfach zu früh glattgestellt, oder gekauft. Und ehrlich gesagt:

bisher hat sich immer mein Instikt als goldene Nase herausgestellt. Aber jetzt habe ich echtes Problem damit. Denn zwar tun die Märkte das was ich meine, ich kann trotzdem kein Kapital daraus schlagen.
Gast

Beitrag von Gast »

Wie ein 42jähriger Ex-Manager und Doktor der Physik beim Daytrading an der Börse 1,9 Millionen Mark verspielte.

Es gibt Tage, an denen kann er es immer noch nicht fassen. Mit gefalteten Händen sitzt Peter B. im Korbsessel vor seinem Couchtisch und versucht sich zu erinnern. So wie einer, der am Morgen nach dem Rausch mit Kopfschmerzen erwacht. "Jeden Abend habe ich mit meinem Wertpapierhändler gesprochen und gesagt, morgen wird ein besserer Tag, morgen hole ich mir das Geld zurück."
Morgen wurde nichts besser, alles nur noch schlimmer. Von November 1998 bis Dezember 1999 verspekulierte B. 1,9 Millionen Mark, seine kompletten Ersparnisse. Mit Termingeschäften versuchte er vorherzusagen, welche kleinsten Schritte in den nächsten Minuten die Börsenbarometer Dax in Deutschland und S&P 500 in den USA machen. Daytrading nennen das die Fachleute, also der Kauf und Wiederverkauf eines Wertpapiers noch am selben Tag.
B. drehte ein großes Rad. An manchen Tagen ging er mit seinen Orders die Verpflichtung ein, im theoretischen Extremfall 780 Millionen Mark zu zahlen. So weit kam es zwar nicht, der Einsatz ist trotzdem weg. Wie konnte das einem Mann passieren, der logisch denkt, der in Physik promoviert, als Manager für eine US-Tochter des Bertelsmann-Konzerns gearbeitet und als Geschäftsführer zwei Unternehmen geleitet hat?
Schnell und riskant. Im Herbst 1998 hatte B. die Nase voll von der Commerzbank-Filiale in Gütersloh. Seit zwei Jahren wickelte er dort seine Börsendeals ab. Erst Aktien, dann Optionen, zuletzt Futures. Am Anfang mit Erfolg: Aus ein paar hunderttausend Mark Erspartem und einem Zuschuss seiner Eltern machte der gebürtige Bocholter zwei Millionen Mark. "Je mehr ich von der Börse zu verstehen glaubte, desto mehr reizten mich die schnellen und riskanten Papiere", sagt er. Da kam die Provinzfiliale der Commerzbank nicht mehr mit. "Bei den Futures geht es um Sekunden", erzählt B., "und wenn ich den Bankberater brauchte, war der gerade auf Toilette oder Mittagessen."
Über die Empfehlungen einer Terminmarkt-Postille kam B. zu einem Direktbroker namens Berrin Lord (BL). "Da fühlte ich mich gut aufgehoben, die versprachen mir persönliche Betreuung und Know-how." Im November 1998 übertrug er sein Vermögen zu BL. Die ersten Wochen liefen gut, der Berufsspekulant schien in den richtigen Händen. Ende 1998 bat ihn der Broker, erzählt B., alle Positionen "wegen der Umstellung auf Euro" aufzulösen. Im Januar stieg er wieder ein, "aber viel aggressiver als vorher" - mehr Einsatz, höheres Risiko.
Ein Fehler. Denn jetzt schätzte B. zum ersten Mal in seiner Zockerlaufbahn den Markt grundlegend falsch ein. Zum Start des Euro Anfang 1999 war die Frankfurter Börse zunächst nach oben gerauscht, doch als B. auf weiter steigende Kurse setzte, rutschte der Dax ab. Daraufhin spekulierte er auf eine anhaltende Talfahrt, doch die Börse nahm die zweite Kurve und drehte wieder nach oben. "Um die Verluste auszugleichen, fuhr ich mit noch mehr Risiko."
Das Prinzip der Dax-Spekulation: Wer auf fallende Kurse setzt, kauft einen Put. Jeder Punkt, den der Index sinkt, bringt dann 50 Mark. Umgekehrt kostet jeder Punkt nach oben 50 Mark. Als B. in der Spitze 3000 Puts gehörten, bedeutete das: Wenn der Dax nur um 0,1 Prozent von 4910 auf 4915 Punkte stieg, verlor das Depot 50 Mark mal 3000 Puts mal 5 Punkte, also 750000 Mark. Trotz Gegengeschäften zur Absicherung schmolz das Guthaben so innerhalb weniger Tage dahin. In den Februar ging der Spekulant nur noch mit rund 80000 Mark.
Warum hat er nicht rechtzeitig die Notbremse gezogen? "Ich hatte vorher Riesenerfolge an der Börse und wollte da wieder anknüpfen." Und:"Ich wollte einfach nicht wahr haben, dass ich total schief liege." Sein Wertpapierhändler tröstete ihn immer wieder, bis Ende 1999 plötzlich fast alles weg war. Aus den letzten 80000 Mark waren 5000 Mark geworden. Das Aus. "Der Mann bei Berrin Lord sagte mir immer, hey, Du kriegst das schon wieder hin." Verständlich.
400000 Mark Gebühren. Denn der Börsenmakler verdiente glänzend an B.s Katastrophe. Von den 1,9 Millionen Mark nahm der Markt 1,5 Millionen - der Rest waren Gebühren. Rund 400000 Mark berechnete das an der Düsseldorfer Königsallee ansässige Unternehmen für seine Dienste. "Wenn ich an diese Gebühren denke, gerate ich in Rage", sagt B. "Ich gebe ihnen nicht die Schuld für meine Fehlentscheidungen, aber die haben 400000 Mark von mir bekommen ohne echten Gegenwert." Sein Berater an der Kö habe stets nur die Aufträge nach London zur Bank, der ADM, weitergeleitet.
Eine teuer bezahlte Telefonhotline, findet der Spekulant. Zudem habe der Makler ihm Spesen für ADM berechnet, die nach seinen Recherchen an BL zurückflossen: "Zwischen 68 Prozent der Spesen für einen Dax-Future und 77 Prozent für einen US-Future vergütete die ADM dem Broker." Insgesamt 316000 Mark sind nach B.s Angaben von seiner Bank in London an die Kö zurückgewandert, als Dank für das Heranschaffen des äußerst regen Kunden. Solche so genannten Kickback-Zahlungen sind äußerst umstritten.
Das Debakel hat B.s Leben verändert. Seine innerstädtische Altbauwohnung in Nordrhein-Westfalen ist bescheiden. Nur wenige Hinweise verraten, dass hier ein Berufsbörsianer lebt: Auf dem Schreibtisch stehen zwei Bildschirme, einer zeichnet Kursverläufe nach. In der Bücherwand mischen sich unter Grass und Márquez die Titel "Millionen mit Optionen" und "Terminmarkt 99".
Den Weg zurück in ein geregeltes Berufsleben hat B. nicht gefunden. "Wer einmal an der Börse so viel Geld verdient hat, ist für den Arbeitsmarkt versaut." Auch wenn die Gewinne längst dahin sind, "halte ich die Terminbörse für die einzige Chance in meinem Leben, noch einmal Millionär zu werden", sagt B.
Wie ein Hamster. Er hat seine Lehren gezogen. Die erste: "Nicht zu wild traden." Zu schnell, zu viel, auch ohne klare Einschätzung, wie es an den Märkten weitergehen könnte - das lässt er jetzt. "Früher war ich wie ein Hamster im Rad, heute weiß ich, dass Nichtstun an der Börse oft die beste Entscheidung ist." Die zweite Erkenntnis: "Niedrige Gebühren sind beim Daytrading entscheidend." Die meisten Zocker schaffen es zwar, mit plus minus null aus ihren Geschäften rauszukommen. "Doch die Kosten fressen sie dann auf und drücken sie in die Verluste." B. handelt jetzt online, zahlt rund 650 Mark im Monat für Programme und Computer-Informationen. Das spart nicht nur Geld, sondern auch Zeit, was zum dritten Fazit der Pleite führt: "Auch ein sich Direct Private Broker nennender Makler bedeutet nur Zeitverlust, wenn er mit dem Telefon arbeitet." Der Mausklick zum Markt hingegen funktioniert in den Bruchteilen einer Sekunde.
Dennoch zögert B. heute, wenn er die Hand am Drücker hat. "Inzwischen habe ich manchmal Angst vor dem Markt", bekennt er. Angst vor der Macht, die in wenigen Sekunden den Einsatz wegradiert. Angst vor der Kurskurve, die so oft im falschen Augenblick eine Wende hinlegt und die Spekulanten auf dem falschen Fuß erwischt.
Er macht trotzdem weiter. "Ich bin von den Instrumenten der Termingeschäfte überzeugt", sagt B. Allerdings kocht er auf Sparflamme. Was bleibt ihm auch: "Auf meinem Konto habe ich jetzt nur noch 60000 Mark, die ich einsetzen kann - davon 30000 Mark eigenes Kapital." Der 42jährige spekuliert mit Limit: "Wenn ich von den 60000 Mark die Hälfte verliere", sagt er, "dann akzeptiere ich, dass es bei mir nicht mehr klappt. Dann höre ich auf."

Quelle: WIWO
KAI PETER RATH
Turon

Beitrag von Turon »

Tja - da ich kein Daytrader bin, kann ich Dir nur das Gegenteil sagen:

Meine Positionen waren wie bereits erwähnt bis zu 6 Wochen lang im Depot. Futures und
Optionen kaufe ich nicht, für so etwas müßte ich vermutlich komplett meine Firma aufgeben, und nur noch traden, doch darin alleine würde ich keine Erfüllung finden.

Ich kann mir einfach nicht mehr vorstellen,
10 Millionen auf dem Konto zu haben, und irgendwo auf einer Matratze zu liegen.

Anderseits habe ich auch keine Lust mit einem Fehlgeschäft im Optionen und Futures binnen Sekunden gesamt aufgebaute Existenz
zu verspielen. Das kann ich mir nicht antun, meiner Familie, und meinen Geschäftspartnern ebenfalls nicht. ;)

Also diesen wilden Daytrading das betreibe ich nicht. Ich kaufe zwar nicht langfristig, in etwa sind es in aller Regel 2 Wochen bis 3 Monate. Wenn es Dich beruhigt.

Bin aber auch in letzter Zeit auch nicht so ganz bei der Sache.
Gast

Beitrag von Gast »

<BLOCKQUOTE><font size="1" face="Verdana, Arial">Zitat:</font><HR> Ich kann mir einfach nicht mehr vorstellen,
10 Millionen auf dem Konto zu haben, und irgendwo auf einer Matratze zu liegen.

[/quote]

Langsam wirst Du mir unheimlich :)


???????????????????????????? :D :D :D
Turon

Beitrag von Turon »

Man nennt es zum Teil Arbeits- oder Beschäftigungssucht. ;)
Wenn ich zwei Tage nichts zu tun habe, dann finde ich schon irgendetwas.
Antworten