Reisekarte
1. Tatort Tumbes/Grenze Peru-Ecuador. Wir haben scheinbar eine Pechstraehne und sind nun doch etwas entnervt. Nach dem Zwischenfall mit einer eingeschlagenen Seitenscheibe vor wenigen Tagen hatten wir leider nur kurz darauf einen erneuten Zwischenfall der ernsteren Art: Wir kommen in der perunanischen Grenzstadt Tumbes gerade von einer Reparatur der vorderen Blattfedern unseres Lkw und wollen eigentlich schnell zur Grenze duesen, denn es ist bereits Nachmittag. Vorher wollen wir noch schnell im Internet ein paar Infos abrufen und parken in einer wirklich sehr belebten Strasse direkt vor dem Internet. Nach dem letzten Zwischenfall mitten in der belebten Zone einer Kleinstadt an der Küste sind wir mißtrauisch und suchen nach einem Internet-Laden, vor dem man günstig parken kann. Wir werden fündig ,parken direkt vor dem Laden, nur einen Meter vom Eingang entfernt. Nach einer Stunde gehen wir wieder raus zum Fahrzeug, ich geh auf die Fahrerseite und will die Tuer aufschliessen, auf einmal haut die Tuer mit voller Wucht auf und knallt mir frontal ins Gesicht. Da sitzt doch ein etwa 25-jähriger Typ in der Fahrerkabine und räumt in aller Seelenruhe mitten in der belebten Umgebung alles zusammen, was nicht niet- und nagelfest ist. Ich bin voellig überrumpelt worden, denn ich hatte naemlich niemand im Auto gesehen, weil der Täter sich wahrscheinlich schnell geduckt hat. Wie dem auch sei, jedenfalls haben wir ihn wohl ueberrascht; er wartet offenbar auf einen günstigen Moment zur Flucht, rammt mir die Tuer ins Gesicht und springt, während ich perplex zurückschrecke, aus dem Auto. Geistesgegwaertig pack ich ihn mit beiden Händen fest am T-Shirt, wir ringen mitten auif der Strasse, der Verkehr muss stoppen, alle gucken. Dann windet er sich geschickt aus seinem T-Shirt und rennt sofort los. Silvia ist just in diesem Moment ums Auto gebogen, um zu schauen, was eigentlich los ist, peilt die Lage blitzschnell und eh ich überhaupt reagieren kann, sprintet sie dem Ganoven sofort hinterher (Typisch Sportlehrerin, kann die Füße nicht still halten). Nach ein paar 100m und einige Seitenstrassen weiter hat sie ihn zusammen mit einer zufällig vorbeikommenden Polizei-Motorradstreife gestellt- die setzten sogar die Schusswaffen ein, 2 Warnschuesse) und ist wohl wie ein Furie auf ihn drauf und hat ihm mit einem Schluessel ordentlich den Ruecken zerkratzt. Der Typ wird verhaftet und wir muessen mit aufs Revier. Im Protokoll steht spaeter, dass die Streife zufaellig vorbeikam und eine europaeisch aussehende Frau hinter einem Peruaner herhetzen sah. Es stellt sich heraus, dass meine Oberlippe voll aufgeplatzt ist und ein ganzes Stueck von einem oberen Vorderzahn herausgebrochen ist. Das sieht nun nicht nur etwas unschön aus, sondern wird auch recht teuer werden, wenn ich das irgendwo machen lasse. Bei Besichtigung des Fuehrerhauses stellt sich heraus, dass eins von zwei GPS-Geraeten fehlt, das hat der Typ wohl in der Hand gehabt, als er aus dem Auto sprang (ist ein kleines, altes Geraet, mit dem er ueberhaupt nichts anfangen kann (keine Antenne, kein Stromkabel, kein separates Batteriefach).
Na toll; Stunden bringen wir auf der Polizei zu, ich muss zur Beweisaufnahme ins Krankenhaus (Fotos, Blutentnahmezum Vergleich mit den Blutspuren an der Autotuer). Der Verhaftete auf der Polizei gebaerdet sich sehr aggressiv, 2 inzwischen herbeigeeilte jüngere Frauen, die wohl zu ihm gehoeren sind hysterisch und im Lauf des Abends versammeln sich jede Menge Spezies von dem Typ vor der Polizei (Schauen alle sehr vertrauenerweckend aus...). Wir hängen über einen Tag fest, weil unbedingt ein Protokoll aufgenommen werden muss und dazu müssen sie erst mal einen deutschen Dolmetscher auftreiben. Denn da ich verletzt wurde, soll der Typ unbedingt verknackt werden. Das ist mir ehrlich gesagt wurscht, den einzigen Wunsch, den ich verspuere, ist, dem Typ mal so ordentlich die Fresse zu polieren- wuerde aber auch nicht klappen, dafuer ist der viel zu muskuloes und kraeftig gebaut. Jetzt haben wir zusatzlich zu der provisorischen Seitenscheibe ausAcryl auf der Beifahrerseite das Problem, dass das Tuerschloss auf der Fahrerseite ruiniert ist, wo wir da Ersatz herkriegen sollen, keine Ahnung!! Ich hab uebrigens alle Hochachtung, wie Silvia als Sportlerin den Typ durchs halbe Viertel gejagt hat, das war zum Schluss vielleicht ein Menschenauflauf! Am Tag darauf wird dann überrasschend kein Protokoll aufgenommen, statt dessen erhalten wir gegen Mittag von einem Gerichtsboten direkt an unserer Autotür (wir parken die ganze Zeit vor der Polizeistation) eine Vorladung zu einer Schnellgerichtsverhandlung am frühen Nachmittag zusammen mit einer mehrseitigen kompletten Anklageschrift ausgehändigt. Der Anklagevertreter (in etwa sowas wie ein Staatsanwalt ist ganz happy, dass sie den Typen endlich fuer laengere Zeit einbuchten koennen, denn er ist wohl seit 2006 mit dicker Akte aktenkundig. Die Anklage lautet wegen der Verletzungen und unter Zuhilfenahme eines weiteren Gesezes, dass Uebergriffe auf Touristen als besonders schwerwiegend einstuft, auf besonders schweren Raub und daher ist sich der Anklagevertreter sicher, dass der Typ tatsaechlich fuer lange Zeit (Jahre) eingebuchtet werden wird. Verhandlung natuerlich in Spanisch. Silvia und ich als Zeugen; Lokalpresse ist anwesend und alles wird auf Video aufgezeichnet. Zum Uebersetzen haben sie extra eine junge Deutsche aufgetrieben, die sehr gut Spanisch spricht und hier ein freiwilliges soziales Jahr macht. Die fällt bei der Polizei erstmal aus allen Wolken, als sie erfährt, um was es geht und was man von ihr erwartet. Dann werden wir eingehend instruiert, dass unsere getrennten Aussagen keine Unstimmigkeiten aufweisen sollen, damit in der Verhandlung ja nichts schief geht. Ja so ist das hier in Peru, vieles ist moeglich, auch dass als Dolmetscher irgendeine Person von der Strasse angeheuert werden kann. Ein Freund von uns in Berlin, der in leitender Position in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel ist, wuerde wohl einen Koller kriegen. Mir ist das alles egal, denn der Zahn wird davon auch nicht wieder heil, wenn der Typ jetzt fuer 10 Jahre eingebuchtet wird, ich haette lieber eine iranische Verhandlung gekriegt, dann duerft ich dem anderen ebenfalls einen Zahn einschlagen. Und statt das Ende der recht langwierigen Verhandlung abzuwarten, kümmern wir uns nach unseren Aussagen lieber darum, einen Menschen aufzutreiben, der unser geknacktes Türschloss zumindest provisorisch wieder zu reparieren.
2. Cayambe/Ecuador. Wir überqueren mal wieder den Äquator, diesmal in Süd-Nord-Richtung. Auf dem Landweg ist dies in unserem langen Reiseleben nun das 4. Mal. Ausgerechnet ein Indio, der an der aufgestellten Äquatorsäule Informationsmaterial verkauft, muss uns als studierte Geographen auf einen weltweit einmaligen Aspekt hinweisen, der diesen Ort hier auszeichnet und der uns bisher selbst gar nicht bewußt war. Denn wenn man mal einen Globus in die Hand nimmt und mit dem Finger die Äqutorlinie verfolgt wird man folgendes feststellen:
Hier in Ecuador nahe des Staedtchens CAYAMBE ist die einzige Stelle auf dem ganzen Aequator, wo auf diesem Schnee bzw. Eis liegt, denn der Aequator verlaeuft ueber die schneebedeckte Schulter des Vulkans Cayambe!!! Und dieser Vulkan zeigte sich an dem Tag auch noch ohne Wolken in eisiger weisser Schoenheit!!!
Foto Die Äquator-Linie bei Cayambe:
http://www.tibesti-online.de/2010-11/022.jpg
3. San Augustin/Kolumbien. Nach unserer ersten Fahrt durch Kolumbien 2007 hat sich die Sicherheitslage in Bezug auf die Aktivitäten der diversen Guerillagruppen nochmals deutlich verbessert. So kann man jetzt erstmals mit der tagsüber vom Militär erlaubten Fahrt über die Berge von Popayan nach San Augustin ohne Riesenumwege eine archäologische Stätte ansteuern, die einmalig in ganz Lateinamerika ist. Denn Kolumbien besitzt zwar keine himmelhohen Tempel wie das Mayaland Guatemala und auch keine steineren Städte wie das ehemailge Inkaland Peru, aber dafür hinter den Bergipfeln von Tierredentro nicht nur ein uraltes Gräberfeld, sondern gleich ein ganze Landschaft voller alter Zeremonienhügel und von steineren Skulpturen bewachter Gräber. Welcher präkolumbischen Kultur die Funde von San Augustin zuzuordnen sind, ob die Anlage ein eigenständiges oder eine Art gemeinsames höchstes Heiligtum für verwandte Stämme der Umgebung war, darüber ist man sich bis heute nicht im Klaren. Es gilt in jedem Fall als gesichert, dass die Menschen ,die die einst von Erdhügeln bedeckten Megalithgräber, die steineren Sarkophage und vor allem die markanten Steinskulturen schufen, keinem komplexen Staat angehörten wie etwa die Maya und Inkas. Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass die Bestattungen in San Augustin möglicherweise etwa um 500 v.Chr.. und der Höhepunkt der Megalithkultur auf die Zeit zwischen 500-1500 n.Chr. festgelegt werden kann. Neueste Funde allerdings, die auf das Jahr 3000 v.Chr. zurückgehen, brachten diese Datierung wieder ins Wanken. Die Steinskulturen jedenfalls sind stilistisch recht einmalig: Überproportinal große Köpfe mit Kopf- und Nasenschmuck sitzen auf gedrungenen Körpern. Die Gesichter wirken mit ihren breiten Mündern und Nasen wie Zeremonialmasken.
Fotos San Augustin:


