SCOPE gerät in Bedrängnis

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schneller euro
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SCOPE gerät in Bedrängnis

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FAZ, 11. Februar 2006:

Ratingagentur Scope gerät in Bedrängnis
Der Auslöser der Immobilienfondskrise wird nun selbst überprüft / Familiäre Bande zwischen Scope und einem bewerteten Fonds

Der Vater berät einen geschlossenen Fonds, der in amerikanische Lebensversicherungen investiert, und die Ratingagentur des Sohnes bewertet ihn. Ein Anleger hält diese Konstellation für erklärungsbedürftig, und ein Wettbewerber erinnert sich an seine Verwunderung.

FRANKFURT, 10. Februar. Mit einer Verkaufsempfehlung für zwei offene Immobilienfonds wurde die Berliner Ratingagentur Scope Mitte Januar auf einen Schlag einem größeren Publikum bekannt. Als im Zuge dieser Empfehlung die zwei Fonds des unabhängigen Münchener Anbieters Kan-Am schließen mußten, stolperte die gesamte Branche in eine
veritable Liquiditätskrise. Scope selbst sah sich daraufhin heftiger Kritik von so unterschiedlichen Adressen wie der Bundesbank, dem Bundesverband deutscher Banken (BdB) und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) ausgesetzt, die das Vorgehen der Ratingagentur im Nachgang für unangemessen hielten.
Einige Anleger in dem geschlossenen Fonds Interlife - Life Reward Fund sind dagegen schon seit längerem nicht gut auf die 2002 aus der Taufe gehobene Agentur zu sprechen. Vor gut zwei Jahren ließen sie sich für die Geldanlage auf dem Zweitmarkt für amerikanische Lebensversicherungen erwärmen und wählten diesen Fonds als Zugang aus.
Allerdings entwickelte er sich danach nicht wie erwartet. Auf der
Gesellschafterversammlung des Interlife-Fonds im vergangenen November schimpfte deshalb ein Anleger, das gute Rating durch die Agentur Scope, die zum Zeitpunkt der Bewertung im Oktober 2003 noch Fondscope hieß, sei ein wesentlicher Faktor für die Anlageentscheidung gewesen. Die Analyse geschlossener Fonds ist das Kerngeschäft von
Fondscope/Scope, auch wenn das Geschäft inzwischen auf die Bewertung von offenen Immobilienfonds, Aktienfonds und Zertifikaten ausgeweitet wurde. Neben der offenbar falschen Einschätzung regte den Anleger auch auf, daß zwischen den handelnden Personen beim Initiator des Fonds und bei der Ratingagentur enge Familienbande bestünden.
Dieser Hinweis auf der Gesellschafterversammlung machte die Fachzeitschrift „Portfolio International" hellhörig, die sich daraufhin die Geschäftsbeziehung zwischen dem Fondsinitiator und der Ratingagentur etwas genauer ansah. Ihre Recherche ergab, daß tatsächlich ein Manfred Schoeller als Berater an Bord des Fondsinitiators Interlife
Management GmbH war, als Fondscope - gegründet und geführt von seinem Sohn Florian - den Fonds bewertete. Anfang 2004 übernahm Vater Schoeller dann sogar die Interlife-Geschäftsführung. Zudem bekam die Zeitschrift einen selbst von Fondscope vorgenommenen Fondsvergleich in die Hand, wonach der Interlife Fonds tatsächlich besser
abschnitt als die damals gleichzeitig am Markt befindlichen Lebensversicherungsfonds BVT Life Bond Fund II und HSC US Leben Select - obwohl gerade das Life-Bond-Management
zu diesem Zeitpunkt eine größere Erfahrung in dem Marktsegment aufweisen konnte. „Das hat uns damals sehr verwundert", erinnert sich Life-Bond-Geschäftsführer Michael Hoesch.
Interessenkonflikte sind das letzte, was eine unabhängige Ratingagentur gebrauchen kann, weil zum Geschäftsmodell auch ein Mindestmaß an Glaubwürdigkeit gehört. Deshalb bestätigt der Scope-Holding-Geschäftsführer Florian Schoeller zwar das Verwandtschaftsverhältnis, weist aber den Vorwurf, Gefälligkeitsratings vergeben zu haben, zurück: „Die Ratings I werden von mehreren Analysten nach einer einheitlichen
Methodik erarbeitet und anschließend von einem Ratingkomitee freigegeben." Von der Analyseabteilung seines Hauses war er damals angefragt worden, ob man den Interlife-Fonds wirklich bewerten solle. In der internen Diskussion habe sich dann die Meinung herausgeschält, daß das Verwandtschaftsverhältnis keine Rolle spielen dürfe, wenn man
den Anspruch habe, den gesamten Markt zu bewerten. Schoeller verweist vor diesem Hintergrund auf die Neutralitätsstatuten, denen sich sein Unternehmen unterwerfe und deren Einhaltung regelmäßig von einem Wirtschaftsprüfer bescheinigt werde. Umgekehrt wollte man nicht den Eindruck aufkommen lassen, den Fonds wegen des
Verwandtschaftsverhältnisses zu schonen. Im Nachgang sieht Schoeller auch nicht die Notwendigkeit, das Verwandtschaftsverhältnis
von sich aus im Zuge der Bewertung öffentlich zu machen. „Mein Vater ist eine eigene juristische Person und hat mit 68 Jahren durchaus das Recht, Beraterverträge anzunehmen. Sollte er jedoch eine Geschäftsführungsposition in einem Fonds innehaben,
dann muß das in der Analyse öffentlich gemacht werden - das war aber bei dem Interlife-Fonds nicht der Fall", sagt Schoeller. Gegen eine bevorzugte Behandlung von Interlife spreche zudem die Bewertung des nachfolgenden Interlife-Produkts Life Reward 2. Dieses erhielt ein solch schlechtes Rating, daß deshalb schließlich der Vertrieb eingestellt werden mußte.
Die Geschehnisse um den Interlife Fonds aus der Frühzeit des Unternehmens reihen sich ein in eine Serie von erklärungsbedürftigen Vorgängen, mit denen sich Scope derzeit auseinandersetzen muß. So hat sich vor drei Wochen die Aufsichtsbehörde Bafin die Unterlagen, auf deren Basis die Verkaufsempfehlung der Kan-Am-Fonds ausgesprochen
wurde, zukommen lassen. Die Prüfung läuft derzeit noch. Grundlage ist dabei ein Paragraph im Wertpapierhandelsgesetz, in dem es bei der Analyse von Finanzinstrumenten um die Verpflichtung zu Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit geht. Verstöße können ein
Bußgeld von bis zu 200 000 Euro nach sich ziehen.
Die Aufsichtsbehörde nahm nur wenige Tage nach der Lieferung der Unterlagen zur Kenntnis, daß sich Scope in einem wichtigen Punkt korrigieren mußte. Für den amerikanischen Kan-Am-Geschäftspartner The Mills Corporation, der eine Schlüsselrolle in der Begründung der Verkaufsempfehlung für die Kan-Am-Fonds spielte, war die
Liquiditätsausstattung falsch dargestellt worden. Zunächst hieß es bei Scope, Mills habe kurzfristig einen Kredit über rund 150 Millionen Dollar bei der Bank J.P. Morgan Chase aufnehmen müssen, um andere Darlehen zu bedienen. Richtig war vielmehr, daß die zusätzliche Kreditlinie für weitere Investitionen bereitgestellt wurde. Mills verfügte über eine
bestehende Kreditlinie von 1,2 Milliarden Dollar, die nur zu 550 Millionen Dollar in Anspruch genommen war, so daß Mills auf insgesamt über 800 Millionen Dollar an freien Krediten saß.
Zudem leidet das Ansehen von Scope noch unter der Fehleinschätzung der Situation bei der Immobiliengesellschaft der Deutschen Bank, DB Real Estate, im vergangenen Dezember. Von notwendigen Bewertungskorrekturen im Grundbesitz-Invest, mit denen die Deutsche
Bank die spektakuläre, weil erstmalige Schließung eines offenen Immobilienfonds begründete, hatte die Ratingagentur offensichtlich nichts bemerkt. Zum Zeitpunkt der Schließung verfügte die Immobiliengesellschaft DB Real Estate vielmehr über die Bestnote
„AAA" und der Fonds selbst über ein „A".


Das Geschäftsmodell von Scope
Die inzwischen knapp vier Jahre alte Ratingagentur Scope verdient ihr Geld mit der Bewertung von Kapitalanlagen und Unternehmen. Die wichtigste Einnahmequelle ist dabei der Verkauf von Lizenzen, mit denen die Käufer Zugang zu den Untersuchungsergebnissen erhalten. Inzwischen soll die Zahl der Kunden bei 750 liegen. Zur Zielgruppe von Scope
gehören insbesondere Vermögensberater, Finanzinstitute und Kapitalanlagegesellschaften. Ursprünglich spezialisiert auf die Analyse von geschlossenen Fonds, wurde das Geschäftsfeld inzwischen auf klassische Investmentfonds, offene Immobilienfonds und Zertifikate erweitert. Scope hält sich zugute, bei der Bewertung von Kapitalanlagen nicht im
Auftrag der zuständigen Managementgesellschaften, sondern ihrer Lizenznehmer zu agieren.
Die Ratingagentur ist dabei aber auf die Zuarbeit der Fondsanbieter angewiesen. Wo diese verweigert wird, greift die Ratingagentur auf öffentlich zugängliche Daten zurück. Dieses Modell erwies sich vor allem bei der Analyse von offenen Immobilienfonds als
konfliktträchtig. Jüngstes Beispiel ist die Auseinandersetzung mit der Immobilienfondsgesellschaft Kan-Am zu Beginn dieses Jahres. Als Kan-Am angeforderte Daten nicht lieferte, fand sich die Gesellschaft auf der Beobachtungsliste mit negativem Ausblick wieder.

Scope ist in der Form einer Holding organisiert, an deren Spitze der Gründer Florian Schoeller steht. Schoeller ist 32 Jahre alt und entstammt einer rheinischen Unternehmerfamilie. Scope beschäftigt derzeit 55 Mitarbeiter, gut die Hälfte davon sind Analysten."
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Quelle: DIE WELT vom 15.02.06

Bankenaufsicht ermittelt gegen Scope
"Bußgeld angedroht - Ratingagentur muß Verkaufsempfehlung für KanAm-
Fonds begründen
Berlin - Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat ein
förmliches Prüfverfahren gegen die Ratingagentur Scope eingeleitet, das in einem Bußgeld münden könnte. Untersucht werde, ob Scope mit seiner
Verkaufsempfehlung für die beiden offenen Kan Am-Fonds gegen das
Wertpapierhandelsgesetz verstoßen habe, sagt eine Sprecherin der Kontrollbehörde der WELT.
"Sollte ein Gesetzesverstoß festgestellt werden, könnte ein Bußgeld von bis zu 200 000 Euro verhängt werden", erläutet die Sprecherin. Analysten seien nach dem Wertpapierhandelsgesetz verpflichtet, Analysen "sorgfältig und sachgerecht" zu erstellen. Wegen der Verkaufsempfehlung hatten insbesondere reiche Privatanleger mehr als 700 Mio. Euro aus den Fonds abgezogen. Kan Am hatte daraufhin beide Produkte mangels Liquidität geschlossen. BaFin hatte Ende Januar das dem Ratingurteil zugrunde liegende Datenmaterial von Scope angefordert. "Aus den Unterlagen erschließt sich nicht, warum die Fonds auf "Verkaufen' herabgestuft wurden", sagt die Sprecherin. Jetzt wurde Scope aufgefordert, eine erläuternde Stellungnahme nachzureichen. Fondsanalyst Stefan
Loipfinger, der bereits vor Scope die beiden Fonds zum Verkauf empfohlen hatte, geht indes "leer" aus: Als Herausgeber des Branchendienstes "Fondstelegramm" genieße Loipfinger den weitreichenden Schutz der Pressefreiheit bei seiner Beurteilung, verlautet aus der Behörde. Die Aufsicht habe mit Erschrecken registriert, daß eine Ratingagentur allein mit einer Verkaufsempfehlung die Schließung zweier Fonds auslösen könne, sagt ein führender Mitarbeiter der Behörde. Zudem hätten Berichte über einen möglichen Interessenskonflikt zwischen Scope und KanAm die Bankenaufsicht veranlaßt,
"genau hinter die Kulissen zu blicken". Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Fondsanbietern hat KanAm keine Lizenz von Scope erworben und sich geweigert, der Ratingagentur detaillierte Informationen zu liefern. "Wir wollen wissen, ob Scope im Interesse der Anleger oder im eigenen Interesse gehandelt hat", sagt der Insider.
Gleichzeitig gibt es in der Behörde und beim Bundesfinanzministerium auch
Stimmen, die vor negativen Konsequenzen des Verfahrens für den Anlegerschutz warnen. Analysten könnten nun davon absehen, Verkaufsempfehlungen zu äußern. "Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, daß Analysten für Warnungen bestraft werden", sagt der Insider.
Begründet hatte Scope die Verkaufsempfehlung mit Ermittlungen der USBörsenaufsicht gegen KanAms US-Partner Mills Corporation. Der Real Estate Investment Trust managt zwei Einkaufszentren, aus denen der kleinere Kan Am- Fonds ein Drittel seiner Erträge zieht. Der größere Grundinvest hält keine von Mills verwalteten Malls. Zugleich verwies Scope in der Verkaufsempfehlung auf die hohen Kredite, die die beiden Fonds zur Finanzierung von Immobilienankäufen aufgenommen hatten "Sollten durch die Berichterstattung über Mills verstärkt Fondsanteile zurückgegeben werden, könnte dies schnell zu Liquiditätsproblemen
führen", warnte Scope. Für die BaFin stellt sich die Frage, ob damit eine "sich selbsterfüllende Prophezeiung" abgegeben wurde."
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